Psychoaktive Substanzen
Prohibition führt nicht zu weniger Konsum, sondern zu einem blühenden Schwarzmarkt.
Aufgeklärte Erwachsene sollten selbst entscheiden dürfen, was sie konsumieren. Wir wollen alle
psychoaktiven Substanzen differenziert nach evidenzbasierten Kriterien regulieren. Verkauf und
Beratung sollten nur in Fachgeschäften mit strikten Alterskontrollen stattfinden.
Steuereinnahmen und Einsparungen in der Justiz ermöglichen den Ausbau niederschwelliger
Hilfsangebote und verhindern so problematischen Konsum.
Abstract
Dieses Papier widmet sich den Fragen nach einer erfolgreichen und im Sinne des Leitbildes der Partei gestalteten Drogenpolitik, die die Freiheit des Individuums und die Verantwortung des Staates abwägt und in Einklang bringt. Als Indikatoren einer erfolgreichen Drogenpolitik werden unter anderem Wissenschaftlichkeit bei der Bewertung psychoaktiver Substanzen, die Reduktion des Schwarzmarktes, Verbesserung der Lebensumstände von Konsumenten und Abhängigen, Ausweitung von Forschung im Bereich psychoaktiver Substanzen und eine verbesserte Erschließung von Informationen über psychoaktive Substanzen insgesamt durch den Bürger angesehen.
Das Papier nimmt eine Betrachtung der gegenwärtigen Drogenpolitik vor und kommt zu dem Schluss, dass die fehlende Unterscheidung zwischen problematischem und unproblematischem Konsum von psychoaktiven Substanzen zu einer Reihe von fehlerhaften Entscheidungen in der Gesetzgebung führt, die dem eigentlichen Ziel, Schaden abzuwenden, diametral gegenübersteht. So gelangen über den Schwarzmarkt auch Jugendliche an psychoaktive Substanzen und die Konsumenten können sich nicht auf die Sicherung der Qualität verlassen, da die staatliche Kontrolle bei Produktion und Vertrieb fehlt. Durch die vom Staat – aufgrund konservativer Werte und Ziele – forcierte Kriminalisierung und damit einhergehende Stigmatisierung des Konsums in der Gesellschaft fällt es jenen, die unter ihrem Konsum leiden, schwer, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen. Der staatliche Umgang mit psychoaktiven Substanzen muss insgesamt als wissenschaftlich unhaltbar (z. B. der Mythos von der „Einstiegsdroge“) und unverhältnismäßig (Anwendung des Strafrechts bei Konsumenten) betrachtet werden.
Die in diesem Papier skizzierte Liberale Drogenpolitik erkennt den möglichen unproblematischen Konsum und das Potential für Drogenmündigkeit ebenso sehr an wie die Gefahren, die durch den Konsum verursacht werden können. Aus diesem Grunde wird die Legalisierung aller psychoaktiven Substanzen nach wissenschaftlichen Kriterien gefordert, die dann nach staatlichen Vorgaben reguliert werden sollen. Vertrieb und Produktion sollen vom Staat kontrolliert werden, die Ausgabe an Minderjährige bleibt strafbar. Eine Ungleichbehandlung zwischen den einzelnen psychoaktiven Substanzen – und somit eine Sonderbehandlung für Alkohol und Tabak – wird ausgeschlossen, was eine Anpassung bisheriger Reglementierungen dieser Substanzen sowohl bezüglich des Verkaufs als auch der Werbung für diese zur Folge hat.
1. Einleitung
Einführung
Die bisherige Drogenpolitik ist aus unserer Sicht gescheitert. Sie schafft es weder, den Konsum und durch den Konsum erzeugtes Leid zu reduzieren, noch, von problematischem Konsum betroffenen Menschen wirklich zu helfen. Durch die derzeitige Förderung internationaler krimineller Strukturen wird mehr Leid verursacht, als psychoaktive Substanzen allein je auslösen könnten.
Wir fordern ein Ende der unberechtigten Stigmatisierung von Konsumenten sowie der Verschwendung von Staatsgeldern für einen Krieg gegen Drogen, der von Beginn an zum Scheitern verurteilt war. Aus diesem Grund gehen wir einen neuen Weg und wollen die Politik der psychoaktiven Substanzen komplett neu aufstellen. Wir wollen den Humanismus auch in die Drogenpolitik bringen!
Um die neue Politik auf ein festes Fundament zu stellen, beginnen wir mit einer Analyse der derzeitigen Drogenpolitik. Welche Ziele möchte sie verfolgen? Was hindert sie daran, diese zu erreichen? Welche Probleme entstehen bei ihrer Umsetzung? Dabei verweisen wir auf mehrere Teilbereiche wie Kriminalität, Strafverfolgung und ihre Kosten. Wir schauen uns zudem progressive Drogenpolitik in anderen Staaten an. Welche Erfahrungen konnten diese damit machen und was können wir daraus lernen?
Nach der Analyse folgt die Skizzierung unseres Modells, mit dem wir die Probleme der derzeitigen Politik verringern wollen. Dabei beantworten die wir Fragen, wie wir dieses Modell genau ausgestalten wollen und wo wir seine Vorteile und Nachteile sehen.
Begriffserläuterung: Psychoaktive Substanzen
Ein pflanzlicher oder synthetischer Wirkstoff, der einem Organismus zugefügt wird und infolgedessen seine Wahrnehmung und sein Erleben verändert, wird als psychoaktive Substanz bezeichnet. Das Wirkungsspektrum ist ebenso vielfältig wie die Wirkungsintensität, von subtil bis nicht ignorierbar. Die Einnahme mancher psychoaktiver Substanzen kann außerdem zu einer Verhaltensänderung führen. Die Art und Weise, inwiefern sich die Wahrnehmung unter psychoaktiven Substanzen vom mittleren Tages-Wach-Bewusstsein (dem Alltagsbewusstsein) abhebt, ist nicht nur von der jeweiligen Substanz und Dosierung abhängig, sondern auch von Set (physischer und psychischer Zustand des Individuums) und Setting (äußere Umstände, Umgebung) [1, S. 4].
Das Feld der psychoaktiven Substanzen ist weitläufig und enthält viele unterschiedliche Substanzklassen. Es umfasst Substanzen wie Alkohol, der organ- und neurotoxisch wirkt und in höheren Dosierungen u. a. zu Denk- und Motorikstörungen führt; Amphetamine, die eine gesteigerte Wachheit, Konzentration und Leistungsfähigkeit bewirken, aber auch einen schnelleren Herzschlag, Bluthochdruck und verringertes Hungergefühl; Psychedelika, deren Wirkung von ozeanischer Selbstentgrenzung bis zur angstvollen Ich-Auflösung reichen kann; Tollkirsche und Engelstrompete, die sich in vielen Gärten finden lassen, zu echten Halluzinationen, extremer Mundtrockenheit und mitunter starker Intoxikation führen; aber auch Theobromin, welches sich in Schokolade oder auch Tee befindet.
In unseren folgenden Forderungen einer Neuregulierung psychoaktiver Substanzen schließen wir jene Substanzen aus, die heute bereits als Lebensmittel bestimmten Verordnungen – wie Kaffee, koffeinhaltige Erfrischungsgetränke oder Kakao – unterliegen.
Unsere Ziele einer liberalen Drogenpolitik
“In einer pluralistischen und zunehmend differenzierenden (multikulturellen) Gesellschaft sollte das Verstehen und die Akzeptanz verschiedener Lebensstile Basis und Ziel des gesellschaftlichen und politischen Lebens und Handelns sein. Durch das Verbot und die Unterdrückung bestimmter Lebensformen, Lebensstile oder Verhaltensweisen, wie […] eben der Vorliebe für bestimmte Genußmittel, wird nichts weiter gewonnen, als daß die Rechtschaffenen sich im Recht fühlen auf Kosten von Individuen, die ihr Leben anders gestalten als die Mehrheit.” [2, S. 159-160]
Gemäß unseres Leitbildes stellt die individuelle Freiheit die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben dar. Der Staat soll dem Individuum nicht vorschreiben, welche Lebensführung richtig oder falsch ist, sondern seine Rechte und Freiheit schützen.
Wir definieren Liberalität, besonders in Bezug auf unsere Drogenpolitik, so, dass die Freiheit der Einzelperson nur in begründeten – empirisch überprüfbaren – Fällen eingeschränkt werden sollte. Eine Einschränkung ist dann zulässig, wenn von einer Person eine Gefahr für andere Individuen ausgeht. Wir setzen uns deshalb dafür ein, zur Stärkung der individuellen Freiheit und Eigenverantwortung des Individuums die Drogenpolitik zu reformieren. Der Begriff der Freiheit umfasst zwei unterschiedliche Aspekte: die positive und die negative Freiheit. Die positive Freiheit beschreibt die Freiheit etwas zu tun, während es sich bei der negativen Freiheit um das Fehlen von Zwängen von außen handelt, also die Freiheit von etwas. So lässt sich also die Möglichkeit zum Konsum und der vorhergehenden Informationsgewinnung als eine positive Freiheit beschreiben. Statt eines Verbotes wollen wir den Schutz des Wohlergehens aller mithilfe der Aufklärung der Konsumenten und der Regulierung des Erwerbs und Vertriebs sicherstellen.
Allerdings besteht für den Staat auch die Verantwortung, die Bürger vor den Folgen eines Konsums durch Dritte zu schützen, indem er unter anderem die Führung von Kraftfahrzeugen und anderen Maschinen unter dem Einfluss von psychoaktiven Substanzen verbietet – dies wäre dann im Sinne des Schutzes der negativen Freiheit des Individuums in der Gesellschaft.
Nur mündiger Drogenkonsum kann verantwortungsbewusst ausgeübt werden. Verantwortungsbewusster Konsum zeichnet sich dadurch aus, dass dem Konsumenten die Risiken seines Handelns bekannt sind und von ihm so weit wie möglich reduziert werden, wobei insbesondere die (fahrlässige) Schädigung Dritter zu vermeiden ist. Wir sehen es als die Aufgabe des Staates an, umfassend und nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über alle bekannten psychoaktiven Substanzen Informationen zur Verfügung zu stellen und über Harm Reduction sowie Safer Use-Strategien aufzuklären. Nur derjenige, der über differenzierte Informationen verfügt, wird auch in der Lage sein, mögliche Gefahren für seine Gesundheit selbstständig einzuschätzen. Prävention darf also nicht einfach aus der Prävention des Konsums als solchem bestehen, sondern muss auf die Prävention von uninformiertem Konsum abzielen und umfasst damit die Bereiche Harm Reduction und Safer Use.
Zu einer korrekten Einschätzung kann der Konsument jedoch nur gelangen, wenn die nötigen Qualitätskontrollen vorhanden sind, durch welche eine Manipulation der Substanzen ausgeschlossen werden kann. Dies sollte ähnlich wie bei momentan angebotenen psychoaktiven Substanzen wie Alkohol und Tabak umgesetzt werden.
Erfolgsindikatoren einer guten Drogenpolitik
Um unsere Ziele bei der Ausgestaltung einer progressiven Drogenpolitik besser skizzieren zu können, legen wir nun dar, welche Teilaspekte eine erfolgreiche Drogenpolitik für uns ausmachen:
- Einstufung des Gefährdungspotentials einer psychoaktiven Substanz hinsichtlich wissenschaftlicher Kriterien. Die bereits heute legalen Substanzen Alkohol und Tabak sollen nicht (mehr) unberechtigterweise einen Status einnehmen, der sie als weniger schädlich einstuft, nur weil diese Substanzen bereits legal sind und eine höhere Anzahl an Konsumenten aufweisen. Gesellschaftlicher Wandel vollzieht sich nur langsam und kann nicht politisch erzwungen werden. Eine Politik, die allerdings auf Fakten statt unreflektierter Tradition setzt, kann den Impuls geben, Althergebrachtes zu überdenken und einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.
- Die Verbesserung der Gesundheit von Konsumenten: Verhinderung und Reduktion von Schäden, die sich durch Streckmittel, Dosierungs- und Deklarationsfehler und mangelnde Beherrschung der Applikationsform ergeben. Weniger Notfallaufnahmen wegen der Nutzung psychoaktiver Substanzen und weniger Tote. Die Abnahme von Infektionskrankheiten, die durch intravenösen Konsum verursacht werden können. Generelle Abnahme schädlicher Konsumformen wie z. B. Binge-Drinking, IV- oder gefährlicher Mischkonsum.
- Reduktion des Schwarzmarktes, insbesondere krimineller Kartelle und die Abnahme von Beschaffungskriminalität. Verringerung der Anzahl Jugendlicher, die illegalen Zugang zu psychoaktiven Substanzen haben.
- Ausbau der Forschung und der klinischen Studien zum Einsatz von psychoaktiven Substanzen in der Medizin. Erforschung neuer Behandlungsmethoden, von denen Patienten profitieren.
- Mehr informierte Bürger, die verantwortungsbewusste Entscheidungen im Umgang mit psychoaktiven Substanzen treffen, und damit z. B. während der Schwangerschaft oder im Straßenverkehr, unabhängig von der drohenden Strafe, auf den Konsum verzichten.
- Verbesserung der Lebensbedingungen von Abhängigen und deren Reintegration ins gesellschaftliche Leben. Verkleinerung der offenen Szene und Verringerung der Anzahl abhängiger Konsumenten.
- Abbau von Stigmatisierung und damit einhergehende geringere Hemmschwelle frühzeitig Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, wenn Konsumenten die Kontrolle über ihren Konsum verlieren. Dies hilft nicht nur den Konsumenten selbst, sondern auch ihrem Umfeld, sei es familiär oder beruflich.
2. Die aktuelle Drogenpolitik
Die aktuelle Drogenpolitik in Deutschland ist durch Prohibition und Kriminalisierung aller am Drogensystem beteiligten Akteure gekennzeichnet. Der Erwerb, Verkauf und Besitz sämtlicher illegalisierter psychoaktiver Substanzen steht unter Strafe. Der Konsum illegaler psychoaktiver Substanzen soll, wenn er auch nicht komplett unterbunden werden kann, zumindest auf ein Minimum begrenzt werden, wodurch – so die Hoffnung – auch das Leiden, welches mit dem Konsum von derlei Substanzen einhergehen kann, verringert wird.
Beim aktuellen Kurs verkennen die Verantwortlichen in der Politik dabei die Tatsache, dass die durchgeführten Repressionsmaßnahmen den gewünschten Effekt klar verfehlen. Die Anzahl derer, die trotz Prohibition Zugang zu illegalen psychoaktiven Substanzen haben, ist hoch: So hatten im Jahr 2015 34,8 % der 18–25-Jährigen schon einmal illegale psychoaktive Substanzen konsumiert und 63,3 % stand der Zugang zu diesen offen [3, S. 18 und 21].
Der Schwarzmarkt floriert und dient kriminellen Organisationen weiterhin als lukrative Einnahmequelle. Diese Einnahmen finanzieren die kriminellen Aktivitäten der Organisationen, wodurch zusätzliches Leid für viele Betroffene hervorgerufen wird und man somit sogar das Gegenteil des gewünschten Effektes erzielt.
Die Bewertung von psychoaktiven Substanzen wird darüber hinaus nicht in Anbetracht des Gefahrenpotentials für Individuum und Gesellschaft vorgenommen, sondern lässt sich von irrationalen und unwissenschaftlichen Entscheidungen auf Grundlage von Gefühlen und im Sinne der Tradition leiten.
Daran orientiert sich wiederum der Umgang mit diesen Stoffen im öffentlichen Diskurs. Begrifflichkeiten wie Rauschgift fallen, um den Eindruck zu suggerieren, der Stoff selbst mache das Gift, nicht Dosis und Anwendungskonzept [1, S. 18]. Darüber hinaus ist der Begriff des Rausches eine unzureichende, da verkürzte, Darstellung des weitläufigen Feldes von Psychoaktivität [1, S. 21].
Konservative Grundwerte und Ziele
Basierend auf Fehlinformationen und unreflektierter Fortsetzung einer prohibitorischen Praxis, ist das Ziel der aktuellen Drogenpolitik darauf gerichtet, Konsum und Verbreitung sämtlicher illegalisierter psychoaktiver Substanzen zu verhindern. In der Annahme, dass alle illegalen Substanzen grundsätzlich schädlich für das Individuum und die Gesellschaft wären und mündige erwachsene Menschen nicht in der Lage, selbstverantwortliche Entscheidungen zu treffen, wird das Verbot psychoaktiver Substanzen als Mittel der Wahl zur Prävention individueller und gesellschaftlicher Schädigung gesehen. Die aktuelle Praxis impliziert, dass der dem Konsum von psychoaktiven Substanzen zugeneigte Mensch vor sich selbst geschützt werden müsse.
Ein Jahrtausende altes, im Menschen verankertes Bedürfnis nach anderen Bewusstseinszuständen wird oft entweder ignoriert oder pathologisiert. Der Wunsch nach Konsum aus hedonistischen oder selbsttherapeutischen Gründen wird aberkannt. Konsumenten von psychoaktiven Substanzen wird nur allzu oft das Stigma nicht mehr entscheidungsfähiger Abhängiger zugeschrieben, die die Kontrolle über ihr Leben verloren zu haben scheinen, selbst wenn ihr Konsum keinen Einfluss auf ihr weiteres Leben hat. Im Folgenden sollen der Aufbau konservativer Werte in Hinblick auf die Drogenpolitik beschrieben werden:
Im Konsum illegaler psychoaktiver Substanzen wird eine „mutwillige Schädigung oder gar Zerstörung der eigenen Kontrolle, Persönlichkeit, Freiheit und Existenz aus hedonistischen und egoistischen Beweggründen“ [4, S. 29] gesehen. „Darüber hinaus gefährdet und schädigt der Drogenkonsum aus Sicht dieser Position nicht nur den Konsumierenden in existentieller Weise, sondern auch dessen soziales Umfeld und schließlich das Wohl der Allgemeinheit. Die Gesellschaft muss – zum Schutz des Individuums vor sich selbst wie aus Gründen des sozialen Zusammenlebens und der Selbsterhaltung – den Konsum illegaler Drogen ächten und unterbinden; dazu dient auf der einen Seite die Etablierung der Enthaltsamkeit von Drogen (Abstinenz) als soziale Norm. Auf der anderen Seite muss diese Abstinenznorm auch ihren Ausdruck in den gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf den Drogenkonsum finden. Dem Staat obliegt es – aus seiner Verantwortung für Individuum und Gemeinwohl heraus – mittels klarer Verbote und der Androhung auch strafrechtlicher Sanktionen auf eine Verhinderung des Drogenkonsums hinzuwirken und das Individuum notfalls unter Zwang zu einer drogenfreien Lebensweise zurückzuführen. Eine Liberalisierung der Nachfrageregulierung wird aus dieser Perspektive hingegen als unmoralisches und unethisches Handeln gewertet, da das Individuum durch die Aufhebung der rechtlichen Schranken bewusst der Gefahr der ‚Verführung‘ durch die Drogen und der existentiellen Selbstschädigung ausgesetzt wird.“ [4, S. 29]
Im Kontext der „Verführung“ zum Konsum von psychoaktiven Substanzen sei auch die Hypothese von Cannabis als „Einstiegsdroge“ genannt. Konservative Verfechter der derzeitigen Restriktion führen an, dass der Konsum sogenannter „weicher Drogen” wie Cannabis den Einstieg in die Welt der “harten Drogen” ebne und somit zum Niedergang des Lebens des Konsumenten führe. Diese heutzutage – sowohl im Alltag als auch im politischen Diskurs – immer noch weit verbreitete These der „Schrittmacherfunktion von Cannabis für den Beginn einer Drogenkarriere bzw. für den Konsum (immer) härterer Drogen [muss] nach dem derzeitigen Forschungsstand – insbesondere im Lichte epidemiologischer Arbeiten – zurückgewiesen werden“ [5, S. 514; 5.1, 512f.].
Rechtliche Grundlage
In Deutschland werden psychoaktive Substanzen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) reguliert, welches aus dem Opiumgesetz der Weimarer Republik hervorging. In der ersten Anlage sind nicht verkehrsfähige Substanzen (z. B. LSD oder Kokain) geführt. Handel, Abgabe und Besitz sind strafrechtlich verboten. Anlage II beschreibt Substanzen, die verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig sind (z. B. Cocablätter). Der Handel ist erlaubt, die Abgabe jedoch verboten. In der dritten Anlage sind die verkehrs- und verschreibungsfähigen Stoffe (z. B. Morphium) gelistet. Alle im BtMG genannten Substanzen stellen Betäubungsmittel im Sinne des Gesetzes dar [6; 7].Während also der Handel und Besitz der meisten psychotropen Substanzen verboten ist und unter Strafe steht, ist der Konsum als solcher straffrei. In den meisten Fällen aber ist der Konsum ohne vorherigen Besitz der jeweiligen Substanz nicht möglich. Im Fokus rechtlicher Schlupflöcher stehen seit einigen Jahren Neue Psychoaktive Substanzen (NPS).
Entgegen medialer Aussagen/Verlautbarungen konsumiert jedoch nur ein kleiner Teil in Deutschland – und auch weltweit – NPS. NPS bilden zugehörig zu den Designer Drugs eine Unterkategorie der Research Chemicals und umfassen den Bereich der psychoaktiven Substanzen, welche relativ neu und damit meist nur sehr schlecht in Bezug auf ihre Wirkung und die von ihnen ausgehenden Risiken erforscht sind. Sie werden in Hinblick auf Struktur oder Funktion als Analoga zu kontrollierten Substanzen designt (Ziel ist die pharmakologische Nachahmung der Originale), ohne dabei jedoch zunächst als illegal klassifiziert zu werden. Aus diesem Grund werden NPS auch teilweise als sogenannte Legal Highs bezeichnet, wobei es sich hierbei nicht um einen Fachterminus handelt. Nachdem eine neue psychoaktive Substanz illegalisiert wurde, ist es jedoch irreführend, weiterhin von ihr als Legal High zu sprechen. NPS stellen damit ein nicht einschätzbares und deshalb mitunter sehr gravierendes Risiko für die Konsumenten dar. Trotzdem sind diese, weil sie noch so neu und mitunter auch sehr zahlreich sind, anfangs noch nicht von der Prohibition betroffen.
Drogenpolitik in Deutschland
Die Drogenpolitik in Deutschland baut auf vier Säulen auf [8]:
- Prävention (wobei in diesem Fall mit Prävention Konsumverhinderung gemeint ist),
- Beratung und Behandlung, Hilfen zum Ausstieg,
- Maßnahmen zur Schadensreduzierung (wie beispielsweise Spritzentausch) und
- Gesetzliche Regulierungen zur Angebotsreduzierung.
Trotz der enormen Kosten, die vor allem für den letzten Aspekt, die “Angebotsreduzierung”, und damit einhergehende Repression aufgebracht werden (siehe Abschnitt Die Probleme der aktuellen Drogenpolitik > Kosten), vergrößerte sich das Angebot psychoaktiver Substanzen auf dem Schwarzmarkt über die Jahre stetig [1, S. 125].
“Konsumentendelikte sind erklärtermaßen Schwerpunkt der Polizeiarbeit: auch wenn die Jugend insgesamt weniger kriminell sei, verfolge man aus Präventionsgründen mehr minderjährige Konsumenten (mündl. Äußerung des BKA-Direktors H. Münch). Das früher vorrangige Ziel, über die Konsumenten die hochkriminellen Großhändler und Hintermänner zu ermitteln, hat sich als unerreichbar herausgestellt.” [1, S. 126]
Die Anwendung des Strafrechts bedeutet, auf kriminelle Taten mit einer Übelzufügung von seiten staatlicher Organe zu reagieren. Hierzu bedarf es einer besonderen Legitimation, die sich aus Ethik und Vernunft ergeben muss. Der hierfür zuständige Fachbereich ist die Strafrechtstheorie. Strafe darf nicht aus Selbstzweck erfolgen, sondern ist ein Notfallrecht des Staates. Sie darf nur eingesetzt werden, um die Gesellschaft und Einzelpersonen vor sozialschädlichen Verhaltensweisen zu bewahren und elementare Werte zu schützen [9].
Zur Bekämpfung von Risiken, die sich aus dem Konsum psychoaktiver Substanzen ergeben können, ist das Strafrecht nicht nur ungeeignet, sondern auch unverhältnismäßig und verletzt damit die Rechtsordnung.
Das seit 1972 in Deutschland gültige BtMG wurde zwar in Bezug auf Cannabis im Jahr 1994 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungskonform erklärt, wird jedoch von verfassungs- und rechtstheoretischer Seite als verfassungswidrig eingestuft. Sowohl Human- als auch Rechtswissenschaftler fordern einen Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik.
„Diffuse Rechtsgüter wie ‚Volksgesundheit‘ und ‚soziales Zusammenleben‘ genügen nicht dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsprinzip und Willkürverbot. Konsum ist nicht fremdschädigend. Deshalb dürfen auch konsumfördernde Handlungsweisen nicht kriminalisiert werden.“ [1, S.121]
Im Jahr 2013 wandten sich 122 Strafrechtsprofessoren des Schildower Kreises mit einem Manifest an die Abgeordneten des Bundestages, um eine Alternative zur repressiven Drogenpolitik zu fordern. In diesem Manifest fordern sie u. a. die „Notwendigkeit der Überprüfung der Wirksamkeit des Betäubungsmittelgesetzes“ [10] sowie die Einrichtung einer Enquête-Kommission.
„Die Notwendigkeit der Einrichtung einer Enquête-Kommission des Bundestages ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber gemäß dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip der Verfassung hinsichtlich geltender Gesetze eine Überprüfungspflicht hat und auf deutliche Veränderungen in der sozialen Wirklichkeit und in der Wissenschaft reagieren muss.“ [10]
Drogenpolitik weltweit
Vom 17. bis ins frühe 20. Jahrhundert florierte der unreglementierte Handel von psychoaktiven Substanzen. Tabak, Koffein und Schokolade, aber auch Opium, Cannabis und Coca-Blätter (später auch Kokain) stellten begehrte Güter auf der internationalen Bühne vor allem auch als Arzneimittel dar. Ernste Probleme für die öffentliche Gesundheit wurden erst im Laufe der Zeit erkannt und führten zu strikteren Arzneimittelgesetzen. Diese Gesetze sowie der steigende Einfluss der US-amerikanischen Abstinenzbewegung und die Verurteilung des britischen Opiumhandels mündeten im Jahre 1912 in das erste internationale Opium-Abkommen, welches den Umgang mit Opium, Morphium, Heroin und Kokain und möglichen Derivaten reglementieren sollte. Substanzmissbrauch sollte reduziert und der Gebrauch auf medizinische Einsatzzwecke beschränkt werden. Die Unterzeichnerstaaten wurden angehalten, illegalen Besitz strafrechtlich zu sanktionieren. 1925, im zweiten Abkommen, wurde ebenso der Konsum von Coca-Blättern und indischem Hanf auf „medizinische und wissenschaftliche Zwecke“ beschränkt. Außerdem konnte der Gesundheitsausschuss des Völkerbundes weitere Substanzen zur Aufnahme ins Abkommen empfehlen, wenn er diese als geeignet sah, Schäden oder Missbrauch ähnlicher Art bewirken zu können. Zur Begründung der Empfehlungen berief sich der Gesundheitsausschuss auf das International Office for Public Health, welches 1948, als der Völkerbund von der UN abgelöst wurde, von der WHO übernommen wurde [1, S. 108f.].
„Bestimmungen dieser und nachfolgender internationaler Verträge wurden schließlich in das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel aus dem Jahr 1961 integriert und durch die Konvention über psychotrope Substanzen von 1971 ergänzt, welche bis heute in Kraft geblieben ist.“ [1, S. 109]
Erklärtes Ziel sämtlicher Abkommen war die Bekämpfung von Abhängigkeit durch sogenannte „Suchtstoffe“ zum Wohle der öffentlichen Gesundheit. Die Klassifizierung von psychoaktiven Substanzen (in Schedule I–IV) nimmt die UN nach ihrer Einschätzung der Gefährdung für die öffentliche Gesundheit, dem Missbrauchspotential der jeweiligen Substanz sowie deren therapeutischen Nutzen vor. Viele dieser Bewertungen sind längst nicht mehr mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar. Interessanterweise hat die WHO für 28 der gelisteten Substanzen, darunter auch Kokain, Opium und Cannabisharz, nie eine Bewertung abgegeben [1, S. 109].
Neben dem Einheitsabkommen über Betäubungsmittel (1961) und der Konvention über psychotrope Substanzen (1971), die zurzeit über 120 Substanzen beinhalten (ohne Isomere, Salz o.ä.), besteht seit 1988 das Übereinkommen der UN über den unerlaubten Verkehr eben dieser Stoffe. Mit Unterzeichnung dieses Übereinkommens verpflichteten sich die Staaten, den Bereich des Handels mit psychoaktiven Substanzen konkret als Straftat festzulegen und den Besitz zu kriminalisieren. Ausgestaltungsmaßnahmen, wie die Höhe des Strafmaßes bei Zuwiderhandlung, werden jedoch nicht vorgegeben. Ebenso sieht das Übereinkommen nicht vor, dass der Konsum unter Strafe gestellt werden muss [1, S. 110].
Der Unmut über die restriktive internationale Drogenpolitik breitete sich in den letzten Jahren in immer mehr Staaten aus. Der „War on Drugs“ wird zunehmend als gescheitert betrachtet und einige Staaten haben mit Entkriminalisierungs- und Legalisierungsmaßnahmen begonnen. Hierunter fallen die Cannabislegalisierung in einigen US-amerikanischen Staaten und Uruguay, das Entkriminalisierungsmodell Portugals oder die Eröffnung der Cannabisclubs in Spanien.
Die Befürchtung der Prohibitionsbefürworter, dass es durch Entkriminalisierung und Legalisierung zu einer Zunahme von Konsumenten und konsumbezogenen Problemen komme, lässt sich hingegen nicht nachweisen. Ein Beispiel dafür ist der US-Bundesstaat Colorado, der Cannabis im Jahr 2012 vollständig legalisierte. Dort ist der Anteil der Jugendlichen, die in den letzten 30 Tagen vor der Befragung Cannabis konsumiert haben, von 25 % im Jahr 2009 – und damit vor der Legalisierung – auf 21 % im Jahr 2015 gesunken [11]. Die besonders schützenswerte Gruppe der Jugendlichen, mit denen Politiker oft mit starken Gefühlen und viel Pathos für die Prohibition argumentieren, wird durch das Verbot also in keiner Weise vom Konsum abgehalten.
Als weiteres Beispiel kann das Entkriminalisierungsmodell von Portugal dienen, welches 2001 in Kraft getreten ist. Dort hat man die freigewordenen staatlichen Mittel in Prävention investiert und konnte damit den Anteil der monatlichen Konsumenten von psychoaktiven Substanzen von 2,5 % im Jahr 2001 auf 1,8 % im Jahr 2012 und die Anzahl der jährlichen Konsumenten von 3,5 % im Jahr 2001 auf 2,6 % im Jahr 2012 verringern [12]. Dazu konnte die Anzahl der Drogentoten von 400 im Jahr 1999 auf 290 im Jahr 2006 verringert werden – ein Rückgang von fast 30 % [13].
3. Die Probleme der aktuellen Drogenpolitik
Paradoxerweise wird zum einen angenommen, dass der Status der Illegalität Konsumenten vom Konsum der Substanz ihrer Wahl abhalten könne. Zum anderen wird das Ressentiment geweckt, dass durch ein legales Angebot überhaupt erst das Bedürfnis nach Konsum entstehe. Nach dieser Logik läge die Prohibition als Antwort nahe. Diese Annahmen entsprechen jedoch nicht der Realität, zeigen doch empirische Erkenntnisse, dass die Anzahl der Konsumenten – unabhängig des Legalitätsstatus – in etwa konstant bleibt. Im Gegenteil: Auf Dauer konnte sogar eine geringfügige Abnahme der Gesamtzahl von Konsumenten psychoaktiver Substanzen nach Entkriminalisierungen oder Legalisierungen beobachtet werden (siehe Abschnitt Die aktuelle Drogenpolitik > Drogenpolitik weltweit).
In Deutschland haben viele Jugendliche und junge Erwachsene einen Zugang zu illegalen psychoaktiven Substanzen. So liegt dieser Wert in der Altersgruppe von 12–17 Jahren schon bei 23,5 %, während er mit der Altersgruppe 18–25 stark auf 63,3 % ansteigt [3, S. 18 und 20f.]. Die aktuelle Prohibition verhindert also weder den Zugang zu psychoaktiven Substanzen für die Bevölkerung, noch kann sie die Jugendlichen sinnvoll schützen. Vielmehr kann es sogar der Reiz des Verbotes sein, welcher Menschen dazu anregt, eine neue Erfahrung zu sammeln. Diese wird dadurch noch deutlich gefährlicher, dass sie im rechtsfreien Raum stattfindet und die Konsumenten durch keine staatliche Institution vorher aufgeklärt werden konnten.
Durch die Kriminalisierung ist der Konsument den Gefahren des Schwarzmarktes ausgesetzt, den der Staat einzudämmen nicht in der Lage ist. Die Strukturen verhindern, dass Konsumenten rechtsstaatliche Hilfen in Anspruch nehmen können – zumindest in der Regel nicht, ohne sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen.
Ein weiteres Problem besteht in der aktuellen Präventionspraxis, deren oberstes Ziel allgemeine Abstinenz darstellt. Durch die mangelnde Differenzierung möglicher gesundheitlicher Konsequenzen unterschiedlicher Substanzen und Konsumformen und der ausschließlichen Betonung schädlichen Konsums, wird die Prävention unglaubwürdig gemacht. Konsumenten, die gelegentlich psychoaktive Substanzen konsumieren und durch den Konsum keine Probleme erfahren – wie zum Beispiel Personen, die unregelmäßig Cannabis zu sich nehmen –, erleben, dass die häufig gezeichnete Drohkulisse eines verlorenen Lebens in Abhängigkeit nicht ihrer Lebensrealität entspricht. Dieses kann insbesondere dann gefährlich werden, wenn die gemachten Erfahrungen auf andere Substanzen übertragen werden, die ein viel höheres Schädigungspotential als die bereits konsumierten haben.
Gesundheit
Zu lange bestand nun schon das Risiko, aufgrund des Konsums von gestreckten, also verunreinigten, psychoaktiven Substanzen sein Leben in Gefahr zu bringen. Da ein Konsument ohne wissenschaftliches Equipment, welches den wenigsten zur Verfügung steht, bei vielen Substanzen kaum feststellen kann, wie hoch der Reinheitsgrad ist, kommt es leicht zu einer Fehldosierung und den damit einhergehenden Gefahren. Des Weiteren werden psychoaktive Substanzen auf dem Schwarzmarkt teilweise falsch deklariert. Viele Stoffe können vom reinen Erscheinungsbild her nicht voneinander unterschieden werden, wodurch es für den Konsumenten zu erheblichen gesundheitlichen Problemen bis hin zum Tod kommen kann.Neben Verunreinigung, Verwechslung und Fehldosierung sind die gesundheitlichen Konsequenzen vieler neuer Substanzen für den Konsumenten noch gar nicht absehbar. Der Forschungsstand zu NPS ist wenig bis gar nicht fortgeschritten.
Die zwei Hauptgruppen der Konsumenten von NPS bestehen vor allem aus (ehemaligen) Cannabiskonsumenten, die aus Angst vor Strafverfolgung von Cannabis zu synthetischen, noch nicht illegalisierten neuen psychoaktiven Substanzen greifen. Die Nebenwirkungen, die durch den Konsum entstehen können, sind mit denen von Cannabis nicht vergleichbar. Viele Notfälle gehen auf den Konsum synthetischer Cannabinoide zurück. In Bayern, dem Bundesland mit der restriktivsten Drogenpolitik in Deutschland, sind besonders viele Cannabiskonsumenten zu NPS gewechselt. Es ist also besonders die Sorge vor der Repression, welche die Konsumenten von einem bereits erforschten und damit abschätzbaren Risiko zu einer sehr unzureichend erforschten Substanz und damit einem ungleich höheren Risiko bewegt. Eine zweite Gruppe von NPS-Konsumenten sind Psychonauten, die besonders experimentierfreudig sind, neue Substanzen aus Interesse probieren, meistens über vorhergehende umfassende Drogenerfahrungen verfügen, und denen der Legalitätsstatus der Substanzen nicht besonders wichtig ist. Einige Todesfälle in Europa sind auf den Konsum neuer psychoaktiver Substanzen zurückzuführen. Es ist davon auszugehen, dass der Konsum von NPS weiter abnimmt, wenn es eine liberalere Drogenpolitik gäbe [1, S. 217-226].
Gesellschaft
Drogentests stellen inzwischen kein seltenes gesellschaftliches Phänomen mehr dar und werden in vielen wissenschaftlichen Disziplinen und Kontexten untersucht.
“Es gibt kaum einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens (mehr), über den mit Sicherheit gesagt werden könnte, dass dort keine Drogentests zur Anwendung kommen.” [14, S. 66f.]
Trotz der breiten Anwendung fehlen oft die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Durchführung solcher Tests. Dies ist kritisch zu betrachten, beschneiden diese doch die Persönlichkeitsrechte einzelner Individuen in hohem Maße. Dies betrifft auch Rahmenbedingungen zur korrekten Durchführung von Drogentestanwendungen, da viel zu häufig Laien auf diesem Gebiet die Durchführung vornehmen und Fehler somit mit großer Wahrscheinlichkeit auftreten [14, S. 66f.].
Infolgedessen ist die Betrachtung der Personengruppe der Getesteten sehr undifferenziert. Insbesondere der Konsument, der zu der Partizipation im illegalen Drogensystem gezwungen ist, wenn er konsumieren möchte, ist von der prohibitorischen Praxis des Staates und den damit einhergehenden Kontrollmechanismen unverhältnismäßig stark betroffen. Jeglicher Konsum von illegalen psychoaktiven Substanzen wird nicht nur gesellschaftlich und politisch stigmatisiert, sondern es finden auch Sanktionen statt, die meist mit negativen Konsequenzen in anderen Lebensbereichen einhergehen: sei es der Ausschluss vom Arbeitsplatz, der Entzug des Führerscheins oder des Sorgerechts für die eigenen Kinder, der Verweis von der Schule oder auch der von den gesellschaftlich legitimierten Institutionen auferlegte Zwang, seine Abstinenz regelmäßig unter Beweis stellen sowie Therapie- und Hilfeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen, unabhängig davon, ob tatsächlich eine Sucht nachgewiesen werden konnte oder nicht. Diese Maßnahmen stehen sinnbildlich für die disziplinierende, überwachende und moralisierende Funktion, die der Staat derzeit durch seine Einstellung zu psychoaktiven Substanzen einnimmt.
Zu allem Überfluss verlässt man sich in vielen Bereichen wie der Sozialen Arbeit fast ausschließlich auf Ergebnisse von Drogentests, die als soziotechnische Interaktionsinstrumente alleine keine objektive Beurteilung der Situation erlauben, da sie lediglich Indizien eines Konsums nachweisen können: Es gibt keinen Nachweis für die Art und Dauer des Konsums oder des Settings – und somit auch keinen Nachweis darüber, ob der Konsum tatsächlich problematischer Natur ist [14, S. 45-47]. Dafür dringen die Tests, je nach Art, aufgrund ihres Designs gezwungenermaßen tief in die Privatsphäre von Menschen ein, die als vermeintliche Problemfälle betrachtet werden, und nehmen ihnen die Entscheidungsmöglichkeit, ob persönliche Informationen weitergegeben werden – so z. B., wenn der Arbeitgeber einen Urintest anfordert und damit auch den Konsum außerhalb der Arbeitszeit feststellen kann, der nicht zwingend die eigene Arbeitsfähigkeit einschränken muss [14, S. 47].
Kriminalität
Neben diesen ’sozialen‘ Formen der Drogendistribution versorgen sich viele Konsumenten auch über profitorientierte Privatdealer oder Straßendealer, wobei letztere zumeist nur als eher unbeliebte ‚Notlösung‘ genutzt werden. Die Grenzen zwischen Social Supply und Profitorientierung sind dabei fließend, auch im Verlauf von ‚Dealerkarrieren‘. Gewinnerzielung als Motiv für das Dealen spielt vor allem bei sozial Unterprivilegierten eine wichtige Rolle. Aufgrund des Charakters einer Mangelwirtschaft nimmt die offene Szene kompulsiver Drogenkonsumenten einen Sonderstatus im Kleinhandelsgeschehen ein, wobei aber auch hier ein nicht geringer Teil der konsumierten Drogen durch andere Konsumenten verkauft wird.“ [1, S. 137]
Dieser Schwarzmarkt für psychoaktive Substanzen wird letztendlich durch die Prohibition gefördert. Konsumenten werden somit auch für große Drogenkartelle oder andere kriminelle Organisationen missbraucht, welche mit den hohen erzielten Profiten weitere kriminelle Aktivitäten in vielen Ländern der Welt finanzieren können und auch in vielen Staaten wie Mexiko oder Afghanistan schon zu einer Bedrohung der nationalen Sicherheit geworden sind [15-17]. Gegner einer Liberalisierung müssen sich eingestehen, dass mit einer Prohibition auch eine Finanzierung dieser Strukturen impliziert wird. Die Einnahmen aus dem Verkauf von psychoaktiven Substanzen treten unabhängig von der Prohibition auf. Der Bürger muss sich entscheiden, ob diese Einnahmen großen Drogenkartellen oder durch eine Steuer/Abgabe wieder dem Bürger zugutekommen.
Strafverfolgung
Die Strafverfolgung von allen am Handel und Konsum psychoaktiver Substanzen beteiligter Akteure kostet den Staat sowohl Personal und Ressourcen als auch viel Geld. Zwar erklärte das Bundesverfassungsgericht 1994 eine geringfügige Entkriminalisierung bezogen auf konsumbezogene Verhaltensweisen [18], jedoch findet dieser Entscheid kaum Anwendung.
“Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2013 etwa 5,96 Mio. Straftaten aus, davon 255.616 sogenannte Rauschgiftdelikte, eine deutliche Steigerung um 6,8 % gegenüber 2012. Insgesamt 145.013, also fast 60%, beziehen sich auf Cannabis. Davon sind über 80% Konsumdelikte, deren Fallzahl allein zum Vorjahr um 10,6% gestiegen ist. Von den übrigen ca. 20% bezieht sich der Großteil auf Kleinhandel und -Schmuggel mit Cannabisprodukten, deren Täter_innen absolut nicht in die Kategorie von Kriminellen und Dissozialen passen: sie decken damit häufig ihren Eigenbedarf. Demgegenüber ist bei Heroin gegenüber 1999 ein Rückgang von 33,1% auf 8,6% aller Fälle festzustellen, bei Amphetamin ein Anstieg von 25,8 auf 65,7% aller Fälle.” [19]
Es zeigt sich also, wie bereits in Kapitel 2.3 erwähnt, dass vor allem die strafrechtliche Verfolgung der Konsumenten zugenommen hat.
Kosten
Die öffentlichen Ausgaben für die restriktive Drogenpolitik haben 2006 einen Umfang von 5,2–6,1 Mrd Euro aufgewiesen. Von diesem Betrag wiederum sind 3,4–4,4 Mrd für den Bereich Sicherheit und innere Ordnung vorgesehen gewesen [20]. Diese Kosten verteilten sich auf die ‘Suchtbudgets’ der Bundeslandhaushalte, den Maßregelvollzug gemäß § 64 StGB (ohne den Bereich ‘Trunksucht’), Polizei-, Gerichts- und Strafvollzugskosten.
Dabei sind noch nicht die wirtschaftlichen Schäden eingerechnet, die durch Entfernung der Konsumenten aus dem Arbeitsmarkt und die nötigen Maßnahmen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach der Haft anfallen. Leider werden Studien zu dem Themenfeld der öffentlichen Ausgaben für die restriktive Drogenpolitik nur selten von der Bundesregierung in Auftrag gegeben. Da sie sich aber selbst [21] in aktuellen ‘kleinen Anfragen’ auf die angegebene Mostardt-Studie bezieht, müssen wir davon ausgehen, dass die dort genannten Zahlen immer noch aktuell sind.
Auch 2010 war die Drogenrepression noch enorm teuer: Fundierte Schätzungen der für Drogenbekämpfung in Deutschland aufgewandten Gesamtausgaben von Bund und Ländern belaufen sich auf 3,7–4,6 Milliarden Euro. Lediglich 10 bis 20 % davon werden für Hilfen aufgewandt, 80 bis 90 % für Repression [1, S. 12]. Diese Ausgaben sind nicht nur sinnlos und damit eine fahrlässige Verschwendung von Steuergeldern, sondern könnten viel besser in Präventions- und Aufklärungsprogramme reinvestiert werden, um die Gefahren des Konsums von psychoaktiven Substanzen tatsächlich zu minimieren.
4. Ein Modell liberaler Drogenpolitik
Für einen offenen, liberalen und bewussten Umgang mit psychoaktiven Substanzen ist eine radikale Umstrukturierung der Drogenpolitik nötig. Auch wenn nur ein geringer Anteil der Menschen, die psychoaktive Substanzen konsumieren, eine Abhängigkeit entwickelt, ist der Verweis auf eine mögliche Drogensucht oft das entscheidende Argument der Prohibitionsbefürworter. Mit dem Ziel, Abhängigkeit zu vermeiden, sehen sie die allgemeine Abstinenz als Mittel der Wahl. Diese Forderung negiert jedoch nicht nur die Bedürfnisse der Konsumenten, sondern impliziert ebenso, dass es nur Sucht oder Abstinenz geben kann. In Hinblick auf Präventionsmaßnahmen ist diese Ansicht fatal, verhindert sie doch Maßnahmen, die Gesundheit und Leben erhalten können, wie zum Beispiel Drug Checking oder das Erklären korrekten IV-Konsums. Das Gegenteil von Drogensucht stellt damit nicht Abstinenz, sondern Drogenmündigkeit dar. Diese ist als ein Gegenpol paternalistischer Ansätze zu verstehen, die dem Menschen die Fähigkeit zur eigenverantwortlichen Entscheidung absprechen wollen. Wer drogenmündig ist, konsumiert informiert, selbstbestimmt und kontrolliert unter der Beachtung von Safer Use-Regeln, die sich aus wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungswerten anderer Konsumenten ergeben. Wer sich an diese Regeln hält, kann den Schaden, der aus dem Konsum resultieren kann, erheblich begrenzen. In einigen Fällen kann Safer Use jedoch auch bedeuten, auf den Konsum komplett zu verzichten, da das Risiko gesundheitlicher Schäden zu groß ist. Aus wissenschaftlicher Sicht ist es mittlerweile akzeptiert, dass der Konsum psychoaktiver Substanzen nicht unbedingt zu gesundheitlichen Schäden oder Beeinträchtigungen führen muss. Viele der Probleme, welche die aktuelle Drogenpolitik verursacht (Drogentote, Beschaffungskriminalität, soziale Probleme u. a.), hängen miteinander zusammen und können somit am besten gemeinsam gelöst werden.
Die zukünftige Drogenpolitik muss evidenzbasiert sein und die uns vorliegenden Daten aus anderen Ländern, in denen eine liberalere Drogenpolitik schon erfolgreich praktiziert wird, nutzen, um daraus Handlungskonzepte zu extrahieren, welche wirklich den Betroffenen helfen können und keine weiteren vermeidbaren Probleme verursachen.
Wir fordern eine ideologiefreie Erforschung psychoaktiver Substanzen, die Zulassung klinischer Pilotstudien und eine ergebnisoffene Herangehensweise in Hinblick auf den Einsatz von Psychedelika und Entaktogenen in der Psychotherapie.
Wir fordern einen deutlich vereinfachten Zugang zu psychoaktiven Substanzen für die Forschung und die Medizin. Sie sollen die Möglichkeit bekommen, die Auswirkungen, Risiken und medizinischen Vorteile eines Konsums zu erforschen, um mit diesen Erkenntnissen die Nutzung noch sicherer zu machen, weitere Möglichkeiten zur Krankheitsbekämpfung und Symptombehandlung zu entdecken und die Gesetzeslage weiter zu aktualisieren.
Gemäß unserem Leitbild wollen wir eigenverantwortliche und selbstbestimmte Entscheidungen aufgeklärter Individuum fördern und stärken. Damit freie Entscheidungen möglich sind, bedarf es sowohl gründlicher Information als auch der Fähigkeit Risiken zu bewerten und abzuschätzen. Paternalistische Vorschriften sind nicht geeignet, diese Fähigkeiten auszubilden, weshalb wir das Ziel verfolgen, derlei Bevormundung zu beenden. Dennoch müssen wir aktuell anerkennen, dass längst noch nicht jeder Bürger in der Lage ist, weitsichtige, unmanipulierte Entscheidungen zu treffen. Werbung für neu legalisierte psychoaktive Substanzen, die über den reinen Informationsgehalt hinausgehen, halten wir deshalb für problematisch. Der angemessene Umgang mit den Substanzen ist den meisten Bürgern – und damit auch potentiellen Neukonsumenten – noch nicht vertraut, Erfahrungswerte müssen erst noch gesammelt werden. Wir sehen es deshalb als nicht zielführend an, in dieser Phase manipulativen Werbebotschaften ausgesetzt zu sein. Eine Ungleichbehandlung zwischen neu legalisierten Substanzen und Tabakprodukten sowie Alkohol ist wissenschaftlich haltlos und suggeriert, dass von den bereits legalen Substanzen weniger Gefahren als von den neuen ausginge. Wir fordern daher eine einheitliche Werbebeschränkung, wie z. B. das Verbot von Außenwerbung, gleichermaßen für Tabak und Alkohol. Die Werbebeschränkungen sollten als Übergangslösung bestand haben, bis sie durch geeignetere Regulierungen abgelöst oder aufgehoben werden können.
Die Verpackungen der psychoaktiven Substanzen sollten im Sinne der Aufklärung der Konsumenten Informationen über substanzspezifische Beratungs- und Hilfsangebote bereitstellen. Hierbei scheint es sinnvoll, die unterschiedlichen Bedürfnisse und möglichen Probleme der verschiedenen Konsumentengruppen zu beachten.
Im Bereich der Prävention und Aufklärung endet jedoch nicht die Verantwortung des Staates – er hat sich auch um das Wohlergehen von Menschen zu sorgen, die dem Drogenmissbrauch zum Opfer fallen. Dementsprechend müssen umfassende Angebote zur Suchtberatung, -therapie sowie -begleitung geschaffen und vorhandene Strukturen ausgebaut werden.
Ähnlich wie Tabak und Alkohol sollen auch die bislang illegalen psychoaktiven Substanzen prohibitiv durch zweckgebundene Abgaben verteuert werden. Der Preis muss dennoch niedrig genug bleiben, damit Konsumenten einen zusätzlichen Anreiz haben, sich vom illegalen Markt abzuwenden und auch zukünftig ihre Substanzen auf dem legalen Markt zu erwerben. Zudem kann mit einem niedrigeren Preis die Notwendigkeit der Beschaffungskriminalität für abhängige Konsumenten wesentlich verringert werden. Diese Einnahmen sollten wiederum in Aufklärung, Prävention und Suchthilfe investiert werden, um negative Konsequenzen auch auf lange Sicht hin gering zu halten.
Um den Drogenkonsum und die daraus resultierenden Gefahren korrekt evaluieren und verringern zu können, ist es nötig, die Forschung an psychoaktiven Substanzen auszuweiten. Zum einen soll damit eine korrekte Informationserschließung durch den Bürger gesichert werden (Wirkungsspektrum, Gefahren, Verbote der Einnahme etc.), wie es auch schon bei Medikamenten möglich ist, aber auch, um verschiedene zusätzliche medizinische Anwendungsgebiete zu erschließen, welche mit einer Legalisierung ergründet werden können. Durch die weitreichende und intensive Forschung an psychoaktiven Stoffen und ihren Eigenschaften, aus denen Gefahren, aber auch Möglichkeiten resultieren, ist es möglich, evidenzbasierte Entscheidungen über den Grad der Freigabe zu treffen. Diese Vorgehensweise wird viele bisher geltende Richtlinien, die auch international anerkannt sind, für nichtig erklären, was diesen Schritt jedoch nicht weniger nötig macht.
Produktion
Die psychoaktiven Substanzen, die in Deutschland verkauft und zur Forschung verwendet werden, sollen auch in Deutschland bzw. anderen Ländern mit legalisierten psychoaktiven Substanzen produziert werden, um die Unterstützung von kriminellen Strukturen in anderen Ländern zu vermeiden. Zu diesem Zweck sollen staatliche Lizenzen für die Produktion an ausgewählte Produzenten verteilt werden. Von diesen Herstellern können die Apotheken, die lizenzierten Abgabestellen und die Forschungsinstitute die psychoaktiven Substanzen anfordern. Internationale Zusammenarbeit ist erwünscht und sollte angestrebt werden.
Vertrieb
Wenn über den Verkauf von Cannabis und anderen psychoaktiven Substanzen in einem legalisierten Umfeld gesprochen wird, werden oftmals lizenzierte private Verkaufsstellen als eine Möglichkeit des Vertriebes gesehen. Wir sehen aber noch größere Vorteile darin, psychoaktive Substanzen von Apotheken vertreiben zu lassen. Diese haben auch jetzt schon einen großen Erfahrungsschatz, was beispielsweise die Verwendung von Opioiden angeht, und konnten in letzter Zeit Erfahrungen mit medizinischem Cannabis sammeln. Sie sind damit in einer guten Position, um die Aufklärung beim Verkauf von psychoaktiven Substanzen an den Endkonsumenten sicherzustellen. Zusätzlich sind die Mitarbeiter einer Apotheke aufgrund ihrer Expertise gut als erste Ansprechpartner geeignet, falls sich Probleme bei dem Konsum von psychoaktiven Substanzen aufgetan haben und man weitere Informationen zu dem Thema benötigt.
Über den Vertrieb in Apotheken hinaus sollte es aber auch anderen Menschen möglich sein, sich selbstständig zu machen und vom Staat vorher ausgewählte psychoaktive Substanzen in ihren eigenen, von ihm offiziell anerkannten und mit einer Lizenz versehenen, Etablissements zu verkaufen. Dies ist ohnehin schon mit einer Schanklizenz für Alkohol möglich und ließe sich damit auch auf andere psychoaktive Substanzen übertragen. Um vor dem Verkauf für eine entsprechende Aufklärung sorgen und um mit weiterem Rat zur Seite stehen zu können, ist es nötig, dass für den Vertrieb dieser psychoaktiven Substanzen für diese Zwecke geschultes Personal eingesetzt wird. Die nötige Sachkenntnis sollte durch eine Prüfung nachgewiesen werden. Dabei ist zu beachten, dass sich die jeweiligen Bedingungen, die für eine Freigabe zum Verkauf erfüllt werden müssen, zwischen den einzelnen Substanzen stark unterscheiden können. Der Staat sollte für den Grad der Freigabe und die Bedingungen auf die Meinung von Experten innerhalb von zu diesem Zweck einberufenen Gremien zurückgreifen.
Konsum
Für den sicheren Konsum muss auch die Produktion der psychoaktiven Substanzen aus geprüften legalen Quellen sichergestellt werden, um eine gleichbleibende Qualität nach höchsten Reinheitsstandards zu gewährleisten. Dafür ist es nötig, die legalisierten Substanzen in Deutschland herzustellen, solange keine legalen Handelsmöglichkeiten mit anderen Staaten bestehen.
Suchtprävention und Aufklärung
Durch eine kontrollierte Abgabe in speziell lizenzierten Abgabestellen wie z. B. Apotheken oder Head-Shops kann effizienter Jugendschutz betrieben werden. Die Abgabe erfolgt nur in Verbindung mit einem Altersnachweis. Dies funktioniert bereits jetzt recht zufriedenstellend mit Alkohol und Tabak, wohingegen illegale Dealer ihre Produkte an jeden, der zahlt, verkaufen – ungeachtet eines Altersnachweises.
Die Abgabe an Kinder und Jugendliche wird strafrechtlich verfolgt. Dadurch, dass das illegale Drogengeschäft durch die Legalisierung unattraktiv wird und der illegale Verkauf abnimmt, haben Kinder und Jugendliche weniger Möglichkeiten psychoaktive Substanzen zu beziehen. Freiwerdende Ressourcen ermöglichen, gezielt gegen den illegalen Verkauf an Minderjährige vorzugehen.
Suchthilfe
Zunächst sei festzuhalten, dass es keine allgemeingültige Definition von Sucht und Abhängigkeit gibt. Medizinische Diagnosesysteme (ICD-10, DSM-5) und gesellschaftliche Definitionen unterliegen einem stetigen historischen Wandel.Gebrauch, Missbrauch und Abhängigkeit sind sowohl in der Praxis als auch der Theorie nicht eindeutig voneinander abgrenzbar. Während die ICD-10 noch zwischen schädlichem und abhängigem Gebrauch unterscheidet, was zu Schwierigkeiten der Interpretation des unklaren Begriffes Schädlichkeit führt, verzichtet das DSM-5 mittlerweile auf diese Unterteilung.
Faktoren, die im DSM-5 als Merkmale gestörten Substanzgebrauchs aufgeführt werden, sind unter anderem: wiederholter Substanzkonsum, der zum Versagen bei wichtigen Verpflichtungen oder körperlichen Gefährdungen führt, der Verlust der Kontrolle über den Konsum, Toleranzentwicklung, Craving oder auch ein hoher Zeitaufwand für die Beschaffung. Das DSM-5 unterscheidet die Schwere einer “Substanzgebrauchsstörung” dahingehend, wie viele Kriterien der Konsument erfüllt.
Doch neben der Definitionsunschärfe des Suchtbegriffes ist auch die Vorstellung über die Entwicklung von Suchterkrankungen divers. “Als allgemein akzeptiert darf heute wohl die Annahme gelten, dass es hierbei immer um ein Zusammenspiel biologischer, psychologischer und soziologischer bzw. gesellschaftlicher Einflüsse (sogenanntes bio-psycho-soziales Modell) gehen muss.“ [1, S. 207f.]
Unabhängig davon, wie Sucht definiert wird, wollen wir die verfügbaren Beratungsstellen sowohl on- als auch offline ausbauen. Diese sollen nicht nur dann zur Verfügung stehen, wenn bereits ein Suchtverhalten vorliegt, sondern auch schon frühzeitig zur Prävention von Sucht und Beratung von Konsumenten. Die Ausgestaltung der präventiven Maßnahmen sollte hierbei evidenzbasiert erfolgen. Prävention, die aus reiner Informationsvermittlung besteht, hat sich empirisch als nicht sinnvoll erwiesen. Die Annahme, menschliches – insbesondere jugendliches Verhalten – sei stets rational und Impulskontrolle sei durch Aufklärung zu bewirken, ist falsch. Risikoreduzierung muss ein wichtiger Aspekt der Prävention sein. “Gerade jugendliches Risikoverhalten ist vor allem von der Wahrnehmung sozialer Normen und vom Grad der eigenen Impulskontrolle geprägt. Daher beruhen wirksame präventive Ansätze eher auf Techniken, die den sozialen und physischen Kontext verändern […] oder in Individuen bestimmte Fähigkeiten trainieren, wie z. B. Impulskontrolle oder soziale und Selbstkompetenz.” [1, S. 281] Die Ausbildung von Präventionsfachkräften ist zu befürworten.
Konsumenten, die an einer Suchterkrankung leiden, sollen ähnlich wie es derzeit schon möglich ist, über die Krankenkassen mit Substanzen auf Rezept versorgt werden können. Aktuell ist es für Heroinabhängige möglich, sich mit beispielsweise Metha- oder Polamidon substituieren zu lassen. Diese Ersatzstoffe sind teilweise jedoch noch suchterzeugender als der Ausgangsstoff Heroin. Außerdem haben einige Patienten dennoch einen Beikonsum [22, S. 26-34.] In der Schweiz und auch den Niederlanden zeigen sich gute Erfolge damit, den Konsumenten die Originalsubstanz Diamorphin (Heroin) in einem reglementierten Rahmen zur Verfügung zu stellen [22, S. 23]. Das Finanzierungsproblem einer kontinuierlichen Versorgung fällt weg. Konsumenten erhalten ebenfalls eine Anleitung zum Safer Use sowie saubere Utensilien (z. B. Spritzen). Der Verbreitung infektiöser Krankheiten wie Hepatitis C und HIV kann somit gegengesteuert werden.
Finanzierung
Die lizenzierten Abgabestellen müssen die Substanzen weder strecken noch eine besonders hohe Marge erzielen, da sie keine Verluste aus der Verfolgung eines illegalen Drogenverkaufs ausgleichen müssen. Während also der Preis niedrig genug bleibt, um Beschaffungskriminalität zu verhindern und dennoch konkurrenzfähig zum Schwarzmarktpreis zu sein, kann eine zweckgebundene Abgabe, deren Höhe nach rationalen Gesichtspunkten festzulegen ist, die Kosten für Prävention, Therapie und weitere Forschung ausreichend sichern, sodass der Staat seiner Fürsorgepflicht nachkommt. Sollte sich über einen gewissen Evaluationszeitraum herausstellen, dass die durch Abgaben erzielten Einnahmen die Kosten der Programme nicht decken oder andererseits zu hoch kalkuliert wurden, sollte die Höhe der Abgaben dem tatsächlichen Bedarf angepasst werden. Da die so erzielten Einnahmen zweckgebunden sind, können sie also auch langfristig nicht für andere Bereiche eingesetzt werden.
Da ausreichend im Umgang mit psychoaktiven Substanzen geschulte Personen die Möglichkeit haben, ein legales Geschäft z. B. in Form einer lizenzierten Abgabestelle zu eröffnen, können durch die dabei anfallenden Gewinne zusätzliche Steuern generiert werden. Diese treten auch bei dem Verkauf von psychoaktiven Substanzen in Apotheken auf. Die illegalen Dealer hingegen werden durch ihren hohen Preis und die schlechtere Qualität unattraktiv für den Konsumenten.
Psychoaktive Substanzen im Straßenverkehr
Beim Steuern von Kraftfahrzeugen fordern wir eine Nulltoleranz-Grenze für psychoaktive Substanzen, deren Konsum zu einer Einschränkung der Fahrtüchtigkeit führt. Betroffen sind hier insbesondere Substanzen, die einen negativen Einfluss auf die Reaktionsfähigkeit haben, zu einer veränderten Sinneswahrnehmung und -verzerrung führen sowie das kohärente Denken außer Kraft setzen. Besonders bei Betrachtung von Mischkonsum mit verschiedenen psychoaktiven Substanzen fällt auf, dass selbst geringe Mengen von auf dieser Art konsumierte Substanzen in Kombination sehr schnell zur absoluten Fahruntüchtigkeit führen können [23]. Bei vielen von ihnen sind verschiedene Abbauprodukte noch sehr lange im Blut oder anderen Körperbestandteilen nachweisbar. Ein simples Nachweisen dieser Abbauprodukte, welche nicht zur Fahruntüchtigkeit beitragen, soll nicht zu Strafen irgendeiner Art führen. Wir plädieren dafür, nach weiteren Methoden zur Erfassung psychoaktiver Substanzen zu forschen und die vorhandenen Messmethoden zu verbessern, um durch genauere Messungen in Zukunft auch Strafmündigkeit sowie das zu verhängende Strafmaß genauer bestimmen zu können.
Psychedelika in der Medizin
Nach dem weltweiten Verbot im Jahr 1966 kam auch die Forschung mit psychedelischen Substanzen schnell zum Erliegen. Zwar erhielten einige Ärzte die Erlaubnis, mit ihren noch vorhandenen Dosen weiterarbeiten zu dürfen, die legale Produktion wurde jedoch eingestellt. Den Forschern blieb nichts anderes übrig, als ihr Feld zu verlassen oder ihre Arbeit – illegal – im Untergrund fortzusetzen. Dies verhinderte die weitere Forschung an den Substanzen, um damit die Qualität weiterer Menschenleben zu verbessern.
Eine Sondererlaubnis erhielten im Jahr 1988 fünf Schweizer Psychiater der SÄPT (Schweizerische Ärztegesellschaft für psycholytische Therapie), um Therapien mit LSD und MDMA durchzuführen. In der Zeit bis 1993 durchliefen ca. 170 Patienten mehr als tausend ganztägige Sitzungen. Die Nachuntersuchungen ergaben geringe bis gute Verbesserungen des Zustands der Patienten [24].
Seit dem Frühjahr 2017 läuft wieder ein Forschungsprojekt zum Thema LSD-unterstützter Therapie. Des Weiteren „unterstützte die SÄPT zusammen mit der […] (MAPS) eine Studie zu MDMA-unterstützter Psychotherapie bei chronischer posttraumatischer Belastungsstörung und eine weitere Studie zu LSD-unterstützter Psychotherapie bei Personen mit Angstsymptomatik in Verbindung mit lebensbedrohenden Krankheiten […].“ [24] Jenseits dieser spezifischen Ausnahmeregelungen ist die Durchführung psycholytischer Therapien jedoch weiterhin nicht legal.
„Ein Großteil der heutzutage verschriebenen Psychopharmaka, wie z. B. Antidepressiva, Benzodiazepine oder Antipsychotika haben eine stabilisierende oder sedierende Funktion. Kurz- und mittelfristig bewirken diese Medikamente beim Patienten eine Dämpfung ihres als quälend empfundenen psychischen Erlebens. Dennoch muss gerade aufgrund dieser dämpfenden Wirkung davon ausgegangen werden, dass diese Art der Psychopharmakotherapie es dem Patienten schwerer macht, sich seiner persönlichen Problematik, wie z. B. der […] intrapsychischen Ambivalenz, bewusst zu werden“. [1, S. 446]
Psychedelika oder auch Entaktogene wie MDMA können an dieser Stelle – in einem definierten therapeutischen Rahmen – nützlich sein, um Patienten (wieder) einen Zugang zu ihrer inneren Erlebniswelt zu ermöglichen. „In diesem Sinne reduzieren z. B. Halluzinogene das quälende Verharren in vergangenheitsbezogenen Ruminationen und erleichtern den Eintritt in einen Bewusstseinsmodus, welcher zukunftsorientiert ist, bei gleichzeitig vertiefter Bewusstwerdung der Ressourcen wie auch der Herausforderungen, die sich für das Individuum ergeben.“ [1, S. 446]
Mithoefer zeigte in seiner 2010 veröffentlichten Studie eine 80-prozentige Verbesserung von PTSD-Patienten in der Psychotherapie mit MDMA, wohingegen es nur bei 20 Prozent der Patienten in der Placebogruppe zu Besserungen kam [1, S. 96]. „Gerade bei PTSD-Patienten ist es typisch, dass das Bewusstwerden von affektiven Zuständen, Körperwahrnehmung und bestimmten Erinnerungen hochgradig vermieden [wird], da diese Stimuli einen extrem belastenden Panikzustand triggern können. Durch diese Vermeidung von traumatisch-assoziierten Triggern ist es dem Patienten aber nicht möglich, die Widersprüche in seiner Lebenssituation wahrzunehmen und konstruktiv zu integrieren. […] Eine Substanz gestützte Psychotherapie kann also einen Lernprozess anstossen, indem schwer zugängliche Wünsche, vergessene Kompetenzen, irrationale Ängste und rationale Wissenselemente erlebbar gemacht und miteinander in Verbindung gebracht werden“. [1, S. 96]
Auch im Behandlungsfeld von Depressionen, Angst- und Abhängigkeitsstörungen gibt es immer mehr verheißungsvolle Studien, die auf Verbesserung der Konditionen von Patienten unter Einbeziehung von Psychedelika und MDMA in der Therapie hinweisen [1, S. 96f.]. Diese Ergebnisse, welche auf eine positive Einwirkung von Psychedelika in der Medizin hinweisen, werden von der Politik ignoriert. Trotz einer großen Zunahme des Forschungsinteresses, insbesondere seit den 1990er-Jahren, gibt es derzeit keine medizinischen Indikationen, die für eine Behandlung mit Psychedelika anerkannt werden. Zusätzlich fehlen u. a. Studien im groß angelegten Maßstab, um weitere Ergebnisse zu sammeln [1, S: 674].
Die Erforschung von psychoaktiven Substanzen im medizinischen, insbesondere psychiatrischen und psychologischen Gebiet, steckt noch immer in den Kinderschuhen. Aktuelle Ergebnisse zeigen den (potentiellen) Nutzen jedoch auf. Die Illegalisierung der meisten Psychedelika steht im Widerspruch zum Interesse der medizinischen Erforschung und erschwert die wissenschaftliche Arbeit. Die freie Forschung an Risiken und Potential vom Einsatz psychoaktiver Substanzen in der Medizin stellt somit ebenfalls eine Säule der liberalen Drogenpolitik dar.
5. Modellprüfung
Es ist zu erwarten, dass die Legalisierung einen Rückgang der Drogenkriminalität zur Folge hätte, da die Beschaffungskriminalität und der illegale Drogenmarkt stark eingedämmt würden. Staatliche Institutionen wie Polizei oder Justiz könnten dadurch an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden. Die Anzahl der illegalen Verkäufe(r) reduziert sich und eine Verfolgung einfacher Konsumenten ist nicht mehr erforderlich. Dadurch kann die Ermittlungsarbeit auf die verbleibenden Großdealer fokussiert und der verbleibende Schwarzmarkt effektiver bekämpft werden.
Dies hätte nicht nur einen positiven Effekt in Deutschland, sondern auch auf internationaler Ebene, falls sich aus dem Substanzkonsum in Deutschland keine Gewinne mehr für kriminelle Strukturen erwirtschaften ließen.
Problemlösungsfähigkeit des Modells
Die unwirksame und kostenintensive Prohibition wird zugunsten einer liberalen und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen regulierten Drogenpolitik aufgegeben. Der Schwarzmarkt und die mit ihm einhergehenden Probleme werden eingedämmt, da für die Konsumenten keine Notwendigkeit mehr besteht, sich mit illegalen Substanzen zu versorgen. Der Zugang für Kinder und Jugendliche zu psychoaktiven Substanzen wird dadurch auch erschwert. Legalisierung ermöglicht Jugendschutz.
Ein großer Teil der Kosten, der durch die Repression verursacht wird, kann durch unser Modell eingespart werden. Durch die anfallenden Abgaben werden sogar neue Einnahmen generiert und zweckgebunden im Sinne der Konsumenten und aller anderen Bürger investiert.
Gesundheitliche Probleme können durch gezielte Aufklärung, qualitativ hochwertige und gleichbleibende Substanzen sowie verbesserte Beratungs- und Hilfsangebote reduziert werden. Ebenso könnte der medizinische Bereich durch die legale Erforschung vieler psychoaktiver Substanzen erheblich profitieren und Kranken neue Therapien ermöglichen.
Das menschliche Bedürfnis nach alternativen Bewusstseinszuständen wird anerkannt und die Befriedigung dessen nicht mehr staatlich verboten und sanktioniert. Erwachsene Bürger bekommen das Recht, frei und selbstverantwortlich, in einem regulierten Rahmen, über ihren Konsum, ihre Gesundheit und Lebensweise entscheiden zu können. Liberalität und Selbstbestimmung werden gefördert.
Durch die Legalisierung können die gesellschaftlichen Bedingungen, die bei manchen Personen zu einem problematischen Substanzkonsum führen thematisiert werden. „Dann erst [nach der Legalisierung] ist der Punkt erreicht, an dem über die eigentlichen Probleme, die einige Menschen mit Drogen haben, diskutiert werden kann, ohne dass sekundäre (durch die Prohibition) produzierte Probleme die Sicht verstellen. Der heute in jeder Hinsicht paranoide Diskurs über illegale Drogen und ihre Konsumenten könnte sich in eine gleichberechtigte Interaktion und Kommunikation über Genussmittel wandeln.“ [2, S. 159]
Schwächen/Risiken des Modells
Die Legalisierung psychoaktiver Substanzen kann zu einem (kurzzeitigen) Anstieg des Konsums psychoaktiver Substanzen in der Gesamtbevölkerung führen. Ein solcher Anstieg wäre vermutlich dem experimentellen Konsum aus Neugier geschuldet. Es ist davon auszugehen, dass nur ein Teil der neuen Konsumenten zu regelmäßigen Konsumenten wird.
Durch die internationale Sonderstellung, die Deutschland im Bereich der Drogenpolitik einnähme, könnte das Interesse sogenannter “Drogentouristen” steigen, sich in Deutschland legal psychoaktive Substanzen zu beschaffen, um diese entweder vor Ort zu konsumieren oder auch illegal ins Ausland auszuführen. Deutschlands Nachbarländer könnten womöglich Grenzkontrollen erhöhen.
Schritte zur Umsetzung
Übergangsphase: Entkriminalisierung: In der Übergangszeit, in der das Gremium sich berät und die heute illegalen psychoaktiven Substanzen noch nicht legal produziert und vertrieben werden können, muss im Sinne der Harm Reduction der Erwerb von psychoaktiven Substanzen entkriminalisiert werden. Konsumenten dürfen nicht weiter der Strafverfolgung ausgesetzt werden. Um die gesundheitlichen Risiken, die von der Schwarzmarktware ausgehen, reduzieren zu können, bedarf es legaler Drug Checking-Angebote. Konsumenten erhalten hier die Möglichkeit, ihre auf dem Schwarzmarkt erworbenen psychoaktiven Substanzen professionell auf ihre Wirkstoffe und ihren Wirkstoffgehalt testen zu lassen.
Es folgt der Start bundesweiter Aufklärungskampagnen, die über die gängigsten psychoaktiven Substanzen neutral informieren und auf Einrichtungen verweisen, die detaillierte Informationen anbieten können. Diese Angebote müssen sowohl on- als auch offline bestehen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sollten gemäß ihres Bildungsauftrages zur Information der Bevölkerung beitragen.
Werbebeschränkungen für die neu legalisierten Substanzen und Tabakprodukte/Alkohol: Insbesondere was den Umgang mit den neu zu legalisierenden Substanzen anbelangt, lassen sich Werbebeschränkungen legitimieren: “Es ist anzunehmen, daß es eine gewisse Zeit benötigt, bis die Menschen es gelernt haben, mit den ‘neuen’ Genussmitteln umzugehen, sich mit deren Vor- und Nachteilen vertraut zu machen und ein angemessenes Gebrauchs-Wissen zu internalisieren. Während dieser Phase der Enkulturation scheint es sinnvoll, die (potentiellen) Konsumenten mit sachlichen und hilfreichen Informationen und nicht mit marktexpansiven, manipulierenden Marktstrategien zu konfrontieren.” [2, S. 125] In diesem Sinne müssen außerdem weitere Untersuchungen über den Werbeeinfluss auf aufgeklärte Bürger und den Konsum von psychoaktiven Substanzen gestartet werden, um gegebenenfalls den weiteren Umgang mit Werbebeschränkungen auf Basis wissenschaftlicher Evidenz begründen zu können. Die Werbevorschriften sollen vereinheitlicht werden.
Um die Diskrepanz im Vertrieb, die zwischen Tabakprodukten und Alkohol auf der einen Seite und den neu zu legalisierenden psychoaktiven Substanzen auf der anderen Seite besteht, schrittweise zu reduzieren, wollen wir den Verkauf alkoholischer Getränke an Tankstellen und im Kassenbereich von Supermärkten unterbinden.
6. Zusammenfassung der wichtigsten Forderungen
Wir fordern:
- die Legalisierung psychoaktiver Substanzen mit einer angepassten Altersgrenze sowie kennzeichnungspflichtige Mengen für die einzelnen Substanzen, die von einem Gremium mit fachbezogenen Forschern festgelegt wird,
- den Verkauf von psychoaktiven Substanzen in Apotheken und von staatlich ausgewählten psychoaktiven Substanzen in lizenzierten Abgabestellen. Die Produktion soll in Deutschland und im Ausland von lizenzierten Produzenten übernommen werden,
- eine Werbebeschränkung für die neu legalisierten psychoaktiven Substanzen und eine Erweiterung der Reglementierungen, unter denen für Alkohol und Tabak geworben werden darf,
- Strafbarkeit der Abgabe psychoaktiver Substanzen an Kinder und Jugendliche,
- dass auf die psychoaktiven Substanzen nach der Legalisierung eine zweckgebundene Abgabe erhoben wird, welche für Prävention, Aufklärung und Hilfsangebote verwendet wird. Der Endpreis soll dabei konkurrenzfähig mit den üblichen Schwarzmarktpreisen bleiben. Diese Abgabe soll auch die verschiedenen Steuern auf Tabak und alkoholische Getränke (Alkoholsteuer, Alkopopsteuer, Schaumweinsteuer, Biersteuer usw.) ersetzen und vereinheitlichen.
- niedrigschwellige Hilfs- und Beratungsangebote, auch zum Thema Harm Reduction und Safer Use,
- therapeutische Angebote, die nicht nur Abstinenz als Ziel einer erfolgreichen Therapie vorsehen, sondern auch akzeptierende Drogenarbeit einschließen,
- eine Nulltoleranz-Grenze für zu Fahruntüchtigkeit führende psychoaktiven Substanzen im motorisierten StV, nicht aber für ihre unwirksamen Abbauprodukte. Für diesen Zweck fordern wir die Finanzierung der Erforschung weiterer Möglichkeiten für Drogentests und ihre Verbesserung. Der nicht straßenverkehrsrelevante Konsum psychoaktiver Substanzen darf nicht als Indiz allgemeiner Untauglichkeit zum Führen eines Fahrzeuges ausgelegt werden.
- die Freigabe der Möglichkeit, umfassend an psychoaktiven Substanzen zu forschen, um medizinische Möglichkeiten komplett zu erfassen,
- die Möglichkeit des Einsatzes psychoaktiver Substanzen in der Psychotherapie, z.B. MDMA bei PTSD,
- die verstärkte internationale Zusammenarbeit im Sinne europäischer Kooperation,
- Schaffung von Drug Checking-Angeboten: Wer weiterhin Substanzen auf dem Schwarzmarkt erwirbt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die zwar mit einer Geldbuße einhergeht; allerdings sollte niemand mit seiner Gesundheit oder gar seinem Leben zahlen müssen.
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
- M. von Heyden, H. Jungaberle, T. Majic (Hrsg): Handbuch der psychoaktiven Substanzen, 2018, Springer Verlag, Berlin. ISBN: 978-3-642-55125-3.
- H. Schmitt-Semisch: Drogen als Genussmittel: ein Modell zur Freigabe aller Drogen, 1992, AG Spak Bücher, München. ISBN: 3-923126-77-8.
- Statista GmbH: Statista Dossier: Drogensucht in Deutschland, 2018, Hamburg.
- A. P. Raschzok: Wandel und Persistenz in der Drogenpolitik: Eine Untersuchung zur Regulierung der Nachfrage nach illegalen Drogen in Europa, Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Sozialwissenschaften, Universität Konstanz, März 2017. urn: nbn:de:bsz:352-0-416144
- P. Tossmann: Der Konsum von Cannabis in der Bundesrepublik Deutschland, Erschienen 2006, bei Vandenhoeck & Ruprecht, in Saarbrücken, S. 514.
- Die überwiegende Mehrheit der Konsumenten von Cannabis (75,9%) konsumiert keine zusätzlichen illegalen Substanzen. Entscheidend ist hier insbesondere die Häufigkeit des Konsums. 7,1% der als Gelegenheitskonsumenten klassifizierten Personen greifen beispielsweise zu Amphetaminen, während es unter den häufig Cannabis Konsumierenden 28,5% sind. Cannabis kann somit weniger als sogenannte Einstiegsdroge verstanden werden und mehr als Substanz, welche Konsumenten in den Schwarzmarkt einführt und dessen Möglichkeiten aufzeigt. Ebenso geht aus den empirischen Untersuchungen eindeutig hervor, dass die Prävalenz des Cannabiskonsums vom Alter der Konsumenten abhängt und es sich in großen Teilen um eine Jugend- sowie Adoleszenzdroge handelt. Die Prävalenz des Konsums steigt in der Regel ab einem Alter von 15 Jahren deutlich an (“16,8% der 15- bis 17-jährigen”), während sie nach dem Erreichen des 23. Lebensjahres wieder kontinuierlich sinkt und ab dem 30. Lebensjahr ihren Tiefpunkt erreicht (unter 5%). Diese Daten legen den Schluss nahe, dass die Population Jugendlicher und junger Erwachsener im Vergleich zu anderen Altersgruppen häufiger von etwaigen negativen Folgen eines langfristigen Cannabiskonsums betroffen ist. Aufbauend auf dieser Überlegung kommt hier dem Jugendschutz eine große Verantwortung zu, welcher am besten durch eine Legalisierung von Cannabis und einem Austrocknen, bzw. zumindest starken Eindämmen, des Schwarzmarktes realisiert werden kann. P. Tossmann: Der Konsum von Cannabis in der Bundesrepublik Deutschland, Erschienen 2006, bei Vandenhoeck & Ruprecht, in Saarbrücken, S. 512f.
- Wikipedia: Betäubungsmittelgesetz, abgerufen am 10.03.2019.
- Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln, abrufbar z. B. unter gesetze-im-internet.de.
- Bundesministerium für Gesundheit, Sucht und Drogen, abgerufen am 21.03.2019.
- Bundeszentrale für politische Aufklärung: Vom Sinn und Zweck des Strafens, abgerufen am 21.03.2019.
- Schildower Kreis, Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und -professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, abgerufen am 31.01.2019.
- Colorado Department of Public Health & Education, „Marijuana Use Among Youth in Colorado“, abgerufen am 12.02.2019.
Weitere Daten dazu sind unter „Healthy Kids Colorado Survey reports and other resources“ abrufbar. - Beckley Foundation, „Lessons from Portugal: The Case for Drug Policy Reform“, abgerufen am 12.02.2019.
- Beckley Foundation, „The Effects of Decriminalization of Drug Use in Portugal“ S. 3, abgerufen am 12.02.2019.
- S. Egbert, H. Schmidt-Semisch, K. Thane, M. Urban: Drogentests in Deutschland: Eine qualitative Studie, 2018, Springer Fachmedien, Wiesbaden, S. 66f. doi: 10.1007/978-3-658-15807-1.
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