Glyphosat
1. Zusammenfassung
Glyphosat ist ein Pestizid, das in Deutschland und auf der Welt in regelmäßigen Abständen für Kontroversen sorgt. Für die einen ist es das sicherste Herbizid überhaupt – umweltschonend, ungefährlich für den Menschen und unerlässlich für eine verantwortungsvolle wie effiziente Landwirtschaft. Für die anderen ist es ein umweltzerstörendes und krebserregendes Gift, das besser gestern als heute verboten werden sollte. Die Partei der Humanisten setzt sich in diesem Impulspapier kritisch mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand zu Glyphosat auseinander. In der Summe betrachten wir Glyphosat aktuell als sicher im Gebrauch und nützlich für eine effiziente Landwirtschaft. Die Notwendigkeit für ein Verbot sehen wir derzeit nicht.
Probleme, die nicht von Glyphosat speziell, sondern der aktuellen Landwirtschaft im Allgemeinen ausgehen, müssen ebenfalls analysiert und angegangen werden. Das schließt die Frage ein, ob es langfristig möglich ist, komplett auf Pestizide zu verzichten. Diese Diskussion ist allerdings nicht Gegenstand dieses Papiers, das sich lediglich auf die Diskussion über ein eventuelles Verbot von Glyphosat konzentriert.
2. Forderungen
Die Partei der Humanisten fordert:
- keine politische Blockade der Glyphosat-Zulassung auf EU-Ebene entgegen wissenschaftlichem Konsens,
- keine politische Blockade der Glyphosat-Zulassung in Deutschland entgegen wissenschaftlichem Konsens,
- kein praktisches Verbot mittels schwer bis nicht erfüllbarer Auflagen.
3. Hintergrund
Glyphosat ist ein Pestizid, also eine Substanz, die als Pflanzenschutzmittel eingesetzt wird. Etwas genauer betrachtet, ist Glyphosat ein Herbizid; das heißt, es tötet Pflanzen. Es wird über grüne Pflanzenteile absorbiert und gelangt danach in die Wurzeln. Dort blockiert Glyphosat das Enzym EPSP-Synthase, welches für das Pflanzenwachstum benötigt wird [1]. Die Pflanzen wachsen nicht weiter und sterben ab. Der von Glyphosat angesteuerte Stoffwechsel kommt auch in einigen Mikroorganismen vor – diese können bei der tierischen Verdauung eine Rolle spielen [2].Die Zulassung von Pestiziden erfolgt auf europäischer Ebene durch die europäische Kommission in Abstimmung mit europäischen Risikobewertungsinstituten wie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) sowie nationalen Behörden [3]. Die Liste der zugelassenen Mittel ist öffentlich einsehbar und insbesondere der Ablauf der Glyphosat-Zulassung transparent dokumentiert [4,5]. Auf Bundesebene entscheidet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Rücksprache mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), dem Julius Kühn-Institut (JKI) und dem Umweltbundesamt (UBA).
4. Vorteile
Aufgrund seiner umfangreichen Wirkung auf Pflanzen ist Glyphosat ein beliebtes Mittel in der Landwirtschaft [6], um unter anderem Felder vor der Aussaat von Unkraut zu befreien. Andere Herbizide sind in der Regel schwächer oder haben ein schmaleres Wirkungsspektrum [7]; sie müssten deshalb gegebenenfalls kombiniert und/oder in größeren Mengen eingesetzt werden, um den gleichen Effekt wie Glyphosat zu erzielen.
In der Landwirtschaft ist die Verwendung von Herbiziden nur eine Methode von vielen. Anders als z. B. bei mechanischen Methoden wie dem Pflügen bleibt bei einer Anwendung mit Glyphosat die Bodenstruktur erhalten und schützt den Boden so vor Erosion. Andere Vor- und Nachteile sind Gegenstand aktueller Forschungen und in ständiger Diskussion [8]. Da die Bearbeitung der Felder von vielen Parametern wie Bodenbeschaffenheit, Fruchtfolge oder auch finanziellen Möglichkeiten abhängt, ist eine gewisse Vielfalt an Methoden sinnvoll, um den Landwirten auf die jeweilige Situation passende Vorgehensweisen zu ermöglichen.
Auch abseits von Feldern findet Glyphosat Verwendung, etwa zur Unkrautbekämpfung an Bahndämmen [9] oder öffentlichen Flächen. Alternativen wie heißes Wasser und Feuer sind äußerst schädlich für Tiere und insbesondere das Abflammen von Unkraut führt regelmäßig zu Bränden [10].
5. Risiko
Nach aktuellem Kenntnisstand ist Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung für Anwender und Konsumenten ungefährlich. Zu dieser Einschätzung kommen unter anderem folgende Risikobewertungsinstitute:
- Deutsches Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [11,12],
- Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) [13],
- Europäische Chemikalienagentur (ECHA) [14],
- US-amerikanische Umweltschutzbehörde (EPA) [15],
- Kanadisches Gesundheitsministerium (HC) [16],
- Japanische Kommission für Lebensmittelsicherheit (FSCJ) [17],
- Australische Behörde für Pestizide und Tierarzneimittel (APVMA) [18].
Solche Institute ermitteln in regelmäßigen Abständen Risiken und zulässige Grenzwerte für Substanzen, mit denen Mensch und Natur in Kontakt kommen. Inzwischen ist wissenschaftlich gut belegt, dass Glyphosat bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung ein vergleichsweise harmloses Mittel ist [6,19]. Vielmehr hat sich im Vergleich zu anderen Pestiziden – auch aus dem Biolandbau – gezeigt, dass Glyphosat sogar weniger umwelt- und gesundheitsschädigend ist [20,21].
6. Kritik
Glyphosat-Kritiker verweisen häufig auf eine Bewertung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC), die Glyphosat seit 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft [22]. Das IARC erarbeitet allerdings keine Risikobewertungen, sondern ermittelt lediglich, ob ein Stoff generell in irgendeiner Menge Krebs auslösen oder verstärken kann, ob also ein grundsätzliches Gefährdungspotenzial besteht. Diese Einschätzung ist unabhängig davon, welchen Mengen oder Konzentrationen der jeweiligen Stoffe Anwender und Konsumenten im Alltag ausgesetzt sind. Die IARC stuft entsprechend auch sehr heiße Getränke [23] als wahrscheinlich, oder auch Kokosöl [24] und Aloe Vera [25] als möglicherweise krebserregend für Menschen ein. Diese Kategorisierung als Anhaltspunkt für eine reale Gefährdung zu verwenden, ist daher wenig sinnvoll und führt vielfach zu einer unbegründeten Verunsicherung von Verbrauchern.
Sehr präsent in den Diskussionen der letzten Jahre war auch die Sorge, dass Glyphosat Bienen verwirrt oder vergiftet [26]. Eine umfassende negative Wirkung auf Bienen und andere Insekten konnte jedoch trotz vieler Feldversuche bisher nicht belegt werden [27]. Gelegentlich stellen einzelne Studien diesen Konsens in Frage [28,29], allerdings waren diese Studien bisher wenig aussagekräftig [30]. Glyphosat hat folglich aktuell die niedrigste Bienengefährdungsstufe B4 und gilt bei sachgemäßer Anwendung als nicht bienengefährdend [31].
7. Position
Die Partei der Humanisten unterstützt die Entwicklung einer effizienten und zugleich umweltfreundlichen Landwirtschaft. Der Weltklimarat IPCC hat hierfür die Bezeichnung „nachhaltige Intensivierung“ geprägt. Aus unserer Sicht sind effizient eingesetzte Pestizide, die Ackerfrüchte vor Schädlingen schützen und zugleich möglichst minimale Nebenwirkungen auf die restliche Umwelt haben, auch in näherer Zukunft Bestandteil dieser nachhaltigen Intensivierung.
In der EU ermitteln europäische Behörden die Gesundheits- und Umweltverträglichkeit von Pestiziden. Die europäische Kommission fügt die Substanzen gegebenenfalls einer Positivliste hinzu. Dies halten wir für eine bewährte Methode.
Solange Glyphosat EU-weit zugelassen ist, halten wir es für angebracht, Landwirten und größeren Abnehmern wie der Deutschen Bahn und Kommunen die Möglichkeit zur Anwendung von Glyphosat zu ermöglichen. Als umweltschonende und günstige Methode trägt die Anwendung von Glyphosat sowohl zur Nachhaltigkeit als auch zur Sozialverträglichkeit der Landwirtschaft bei.
Ein Glyphosat-Verbot auf Grundlage wissenschaftlich ungenügender Aussagen lehnen wir ab. Ebenso lehnen wir ein praktisches Verbot ab, also die Zulassung unter derart restriktiven Auflagen, dass eine Anwendung quasi ausgeschlossen ist. Wir erwarten von allen am Diskurs Beteiligten eine auf wissenschaftlichen Fakten basierende Diskussion.
Quellen
- Schönbrunn, E. et al. (2001). „Interaction of the herbicide glyphosate with its target enzyme 5-enolpyruvylshikimate 3-phosphate synthase in atomic detail“, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, vol. 98,4: 1376-1380.
- Ursell, L. K. et al. (2012). „Defining the Human Microbiome“, Nutrition Reviews, vol. 70(Suppl. 1): S38-S44.
- BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) (o. J.). „Rückstandshöchstgehalte: Listen und Rechtsgrundlagen“. Abgerufen am 19. April 2020.
- EU-Kommission (Europäische Kommission) (o. J.). „Approval of active substances“. Abgerufen am 19. April 2020.
- BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) (2019). „Überblick: Das Verfahren der Neubewertung und Wiedergenehmigung von Glyphosat“. Abgerufen am 19. April 2020.
- Duke, S. O. und Powles, S. B. (2008). „Glyphosate: a once in a century herbicide“, Pest Management Science, vol. 64: 319-325.
- LfL (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft) (2019). „Wirkungsspektren Präparate im Getreidebau – Herbstbehandlung“. Abgerufen am 19. April 2020.
- Agrarheute (2019). „Humus im Boden: Pfluglos arbeiten bringt nichts“. Abgerufen am 19. April 2020.
- Zeit Online (2019). „Deutsche Bahn will Einsatz von Glyphosat halbieren“. Abgerufen am 19. April 2020.
- Merkur online (2019). „48-Jähriger will Unkraut vernichten – und fackelt versehentlich Wohnhaus ab“. Abgerufen am 19. April 2020.
- BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) (2015). „Löst Glyphosat Krebs aus?“, Mitteilung 007/2015 des BfR. Abgerufen am 19. April 2020.
- BfR (Bundesinstitut für Risikobewertung) (2016a). „Populäre Missverständnisse, Meinungen und Fragen im Zusammenhang mit der Risikobewertung des BfR zu Glyphosat“, Mitteilung Nr. 013/2016 des BfR. Abgerufen am 19. April 2020.
- EFSA (European Food Safety Authority, Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) (2015). „Glyphosat“, EFSA erklärt Risikobewertung. Abgerufen am 19. April 2020.
- ECHA (European Chemicals Agency, Europäische Chemikalienagentur) (2017). „Glyphosate not classified as a carcinogen by ECHA“. Abgerufen am 19. April 2020.
- EPA (Environmental Protection Agency, auch USEPA, US-amerikanische Umweltschutzbehörde) (2017). „Glyphosate“, Update for the Pesticide Program Dialogue Committee (PPDC). Abgerufen am 19. April 2020.
- HC (Health Canada, kanadisches Ministerium für Gesundheit) (2019). „Statement from Health Canada on Glyphosate“. Abgerufen am 19. April 2020.
- FSCJ (Food Safety Commission of Japan, japanische Kommission für Lebensmittelsicherheit) (2016). „Glyphosate“, Risk Assessment Report: Pesticides. Abgerufen am 19. April 2020.
- APVMA (Australian Pesticides and Veterinary Medicines Authority, australische Behörde für Pestizide und Tierarzneimittel) (2019). „Glyphosate“. Abgerufen am 19. April 2020.
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- Sven Giegold MdEP (2018). „Petition zum Bienensterben: Glyphosat schadet Bienen – jetzt muss das Herbizid erst recht vom Acker!“. Abgerufen am 19. April 2020.
- Thompson, H. et al. (2014). „Evaluating Exposure and Potential Effects on Honeybee Brood (Apismellifera) Development Using Glyphosate as an Example“, Integrated Environmental Assessment and Management, vol 10(3): 463-470.
- Balbuena, M. S. et al. (2015). „Effects of sublethal doses of glyphosate on honeybee navigation“, Journal of Experimental Biology, vol. 218: 2799-2805.
- Motta, E. V. et al. (2018). „Glyphosate perturbs the gut microbiota of honey bees“, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, vol. 115,41: 10305-10310.
- Ruishalme, I. (2018). „No, Glyphosate Is Not a Threat to Bees“. Abgerufen am 19. April 2020.
- JKI (Julius Kühn Institut) (2018). „Häufige Fragen zum Thema „Bienen und Pflanzenschutz““. Abgerufen am 19. April 2020.
Siehe auch
Gentechnik
Klima, Umwelt, Landwirtschaft & Tierschutz
ZUM GESAMTPROGRAMM POSITIONEN VON A BIS Z
ALLES ZU Klima, Umwelt, Landwirtschaft & Tierschutz