Mit Kernkraft gegen den Klimawandel

Der Klimawandel ist bereits in vollem Gange: Er gefährdet unsere Nahrungsmittelsicherheit [1], Wetterextreme führen zu immer häufigeren Katastrophen [2] und der steigende Meeresspiegel bedroht unsere Küsten [3]. Noch stehen wir am Anfang dieser Veränderungen. Damit sich die Lage nicht noch weiter verschärft, darf die globale Erwärmung 2 °C nicht überschreiten – besser wären 1,5 °C, um zumindest einige vermeidbare negative Auswirkungen noch abzuwenden. Wir müssen alle zur Verfügung stehenden Optionen nutzen, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens einzuhalten. Vermutlich siehst du das ähnlich.

Doch wie wichtig ist dir Klimaschutz wirklich?

Dazu ein Gedankenspiel: Wenn wir eine CO2-arme Technologie erfinden würden, die sofort einsatzbereit wäre und mit der wir auf einen Schlag jährlich 64 TWh Strom [4] emissionsfrei erzeugen und so rund 60 Millionen Tonnen CO2 jedes Jahr [5] einsparen könnten. Würdest du sie nutzen? Eine Technologie, mit der wir außerdem die Luftverschmutzung durch Kohlekraftwerke vermeiden und dadurch rund 2.000 Todesfälle jedes Jahr [6] verhindern könnten.

Klingt zu gut, um wahr zu sein? Tatsächlich müssen wir die Technologie gar nicht erfinden. Es gibt sie schon und sie ist auch bereits seit Jahrzehnten im Einsatz: Kernenergie. Sechs Kernkraftwerke sind aktuell noch in Deutschland in Betrieb – und erzeugen dabei zuverlässig derzeit 12 % unseres elektrischen Stroms [7]. Drei davon sollen allerdings bereits Ende des Jahres endgültig abgeschaltet werden, die anderen drei dann Ende 2022. In Anbetracht der Dringlichkeit für Klimaschutz ein ziemlicher Widerspruch.

Es wäre technisch durchaus möglich, die sechs deutschen Kernkraftwerke noch 15-20 Jahre weiterzubetreiben [8] und stattdessen Kohlekraftwerke früher vom Netz zu nehmen. Natürlich gehen damit organisatorische und politische Hürden einher. Insbesondere die Notwendigkeit von qualifiziertem und geschultem Personal sowie Zulieferern für einen Weiterbetrieb und die Beschaffung neuer Brennstäbe sind hier zu berücksichtigen. Ohne Planungssicherheit und Garantien wird außerdem kein Betreiber die Kraftwerke weiter laufenlassen wollen. Das sind zwar Hürden, aber keine unüberwindbaren. Viele andere europäische Länder setzen weiter auf Kernenergie oder bauen sogar neue Kraftwerke [9]. Ein Weiterbetrieb der sechs deutschen Kernkraftwerke wäre also machbar, wenn auch mit einigem Aufwand verbunden. Dazu gehören auch notwendige Nachrüstungen, um die Sicherheit und Funktionsfähigkeit der Kraftwerke zu erhalten. Die Gesamtkosten von ca. einer Milliarde Euro [8] sind dabei deutlich geringer als die Investitionskosten für einen Neubau beliebiger Kraftwerke mit vergleichbarer Leistung [10, 11].

Auch der zusätzlich anfallende hochradioaktive Atommüll ist mit ca. 180 Tonnen pro Jahr [12] sehr überschaubar. Insbesondere wenn man bedenkt, dass wir aktuell schon 10.500 Tonnen davon endlagern oder weiterverarbeiten müssen [13]. In 15 Jahren würde sich diese Menge daher gerade einmal um 25% erhöhen. Es gibt außerdem Konzepte, diese Abfälle zukünftig in modernen Brutreaktoren wieder zur Energiegewinnung zu nutzen [14] oder per Transmutation in kurzlebigere Elemente umzuwandeln [15]. Beides ist bereits technisch möglich und könnte nicht nur die Menge, sondern auch die Halbwertszeit des verbleibenden Atommülls deutlich reduzieren. Erste Anlagen existieren schon, dennoch muss an beiden Konzepten weiter geforscht werden. 

Doch wie steht es um die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke? Könnte sich eine Nuklearkatastrophe wie in Tschernobyl oder Fukushima auch in Deutschland wiederholen? Die deutschen Anlagen stehen an deutlich sichereren Standorten, entsprechen dem Stand der Technik und wurden regelmäßig nachgerüstet [8]. Weder Technik, Sicherheitsvorkehrungen noch Randbedingungen sind daher mit den beiden Kraftwerken vergleichbar [16]. Die Frage lässt sich also klar mit ‚nein‘ beantworten. Und selbst unter Berücksichtigung dieser Ereignisse sind die tatsächlichen Risiken durch die Verwendung von Kernenergie zu Tode zu kommen vergleichbar mit Wind- und Solarenergie und um ein Vielfaches geringer als bei allen Arten der fossilen Energieerzeugung [17]. Dem gegenüber stehen enorme Schäden und Millionen Todesfälle, sollten wir es nicht schaffen, den Klimawandel aufzuhalten [18].

Damit kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Wie wichtig ist dir Klimaschutz wirklich?

Wollen wir wirklich bis Ende nächsten Jahres unsere Kernkraftwerke abschalten und dafür länger auf fossile Energieträger wie Kohle und Gas angewiesen sein? Oder sollten wir nicht lieber zuerst Kohlekraftwerke abschalten, während wir mit allen Mitteln unsere Erneuerbaren Energien ausbauen und mit ausreichenden zentralen und dezentralen Speichern unterfüttern?

Als Partei der Humanisten sind wir uns einig: Wir wollen Politik auf Basis wissenschaftlicher Fakten, fernab von Ideologien und Dogmen. Uns ist Klimaschutz zu wichtig, um eine CO2-arme Technologie einfach von vornherein auszuklammern. Die realen Schäden von Kohle und Gas übertreffen bei weitem das abstrakte Risiko von Kernkraftwerken. Die sechs noch laufenden Kernkraftwerke können als klimafreundliche Brückentechnologie einen wichtigen Beitrag leisten, uns beim Ausbau der Erneuerbaren Energien wichtige Zeit erkaufen und diese sinnvoll ergänzen. Gleichzeitig können sie unsere Versorgungssicherheit sicherstellen, ohne dass wir abhängiger von Energieimporten werden.

Dir ist Klimaschutz auch so wichtig wie uns? Dann mach mit und setze dich gemeinsam mit uns für eine klimaneutrale Zukunft ohne dogmatische Barrieren ein!


Unsere Quellen für diesen Artikel:

[1] https://www.ipcc.ch/srccl/chapter/chapter-5/ (abgerufen am 17.10.2021)

[2] Brauch, Hans Günter. „Urbanization and natural disasters in the Mediterranean: Population growth and climate change in the 21st century.“ Building safer cities (2003): 149. https://www.pnas.org/content/pnas/116/43/21450.full.pdf (abgerufen am 17.10.2021)

[3] https://www.climatecentral.org/news/report-flooded-future-global-vulnerability-to-sea-level-rise-worse-than-previously-understood (abgerufen am 17.10.2021)

[4] https://www.kernd.de/kernd/themen/strom/Zahlen-und-Fakten/01_index.php (abgerufen am 17.10.2021)

[5] https://amp.welt.de/debatte/kommentare/article234364140/Offener-Brief-Liebes-Deutschland-bitte-lass-die-Kernkraftwerke-am-Netz.html (abgerufen am 17.10.2021)

[6] https://ourworldindata.org/grapher/death-rates-from-energy-production-per-twh (abgerufen am 17.10.2021)

[7] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Energie/Erzeugung/_inhalt.html (abgerufen am 17.10.2021)

[8] https://zeitung.faz.net/faz/wirtschaft/2021-10-07/2a608a452e6c325c036e37fd555f3abe/ (abgerufen am 17.10.2021)

[9] https://www.sustainability-times.com/low-carbon-energy/a-number-of-eu-nations-embrace-nuclear-as-a-green-energy-source/ (abgerufen am 17.10.2021)

[10] https://www.iea.org/reports/projected-costs-of-generating-electricity-2020 (abgerufen am 17.10.2021)

[11] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/energiewende/was-bringt-was-kostet-die-energiewende-394146 (abgerufen am 17.10.2021)

[12] https://www.tagesspiegel.de/politik/atommuell-endlager-glaube-ersetzt-keine-sicherheitsanalyse/1280902.html (abgerufen am 17.10.2021)

[13] https://www.bge.de/de/abfaelle/aktueller-bestand/ (abgerufen am 17.10.2021)

[14] https://www.rosatom.ru/en/press-centre/news/the-first-serial-batch-of-mox-fuel-loaded-into-bn-800-fast-reactor-at-beloyarsk-npp/ (abgerufen am 17.10.2021)

[15] https://www.tagesschau.de/ausland/europa/belgien-forschungsreaktor-myrrha-101.html (abgerufen am 17.10.2021)

[16] https://www.spektrum.de/news/fukushima-auch-in-deutschland/1117166 (abgerufen am 1710.2021)

[17] https://ourworldindata.org/safest-sources-of-energy (abgerufen am 17.10.2021)

[18] https://www.forbes.com/sites/dishashetty/2021/07/30/climate-change-would-cause-83-million-excess-deaths-by-2100/ (abgerufen am 17.10.2021)

Transparenzhinweis: Der Redaktion unterlief ein Fehler bei der Zuordnung der Quellen. Diese wurden am 26.10.2021 erneut sortiert.