2019 ist ein hitziger Streit um Artikel 17 – damals 13 – der europäischen Richtlinie (RL) 2019/790 „über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt“ entbrannt. Es kam zu deutschland- und europaweiten Protesten der Netzgemeinde, bei denen auch wir vorne dabei waren.
Overblocking fürs Urheberrecht
Artikel 17 fordert, dass Betreiber digitaler Online-Plattformen prinzipiell für Urheberrechtsverletzungen haftbar gemacht werden können. Außerdem soll es eine verpflichtende Vorprüfung hochgeladener Inhalte geben. Für betroffene Unternehmen wird es quasi unmöglich sein, jeden Text und jedes einzelne Bild oder Video durch einen Mitarbeiter überprüfen zu lassen. Sie werden gezwungen sein, auf „Inhaltserkennungssoftware“ – sogenannte Uploadfilter – zurückzugreifen. Diese Filter sollen alle Nutzerinhalte scannen und sie direkt löschen oder sperren, wenn sie Urheberrechte verletzen. Die Filter sind in vielen Fällen vermutlich jedoch nicht in der Lage, legitime von urheberrechtlich verbotenen Inhalten zu unterscheiden. Aufgrund der Plattformhaftung werden solche legalen Inhalte im Zweifel also wahrscheinlich eher blockiert. Durch das dadurch entstehende Overblocking sehen wir und viele Kritiker die Meinungs- und Kunstfreiheit im Internet gefährdet.
Ein aktueller Diskussionsentwurf (24. Juni 2020) des Bundesjustizministeriums soll nun die Debatte über die konkrete Ausführung von Artikel 17 in Deutschland anregen. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat ihn ausführlich unter die Lupe genommen und eingeschätzt.
Ein bisschen Licht im Datentunnel
Das Gute am Entwurf: Endlich werden die Kritikpunkte der Netz-Experten aufgegriffen. So soll es Strafen für möglichen Missbrauch durch False-Claims geben (Stichwort: „Zensurheberrecht“, also der Einsatz des Urheberrechts, um unliebsame Inhalte aus dem Internet zu bekommen). Große Teile der Netzkultur wie Memes, Karrikaturen, Parodien und Pastiche sollten mit dem Entwurf durch entsprechende Bagatellschranken ebenfalls geschützt sein. Auch Foren sollten mit dem aktuellen Entwurf sicher vor Plattformhaftung sein.
Allerdings wird leider auch klar, dass Artikel 17 wie erwartet auch in Deutschland kaum ohne Uploadfilter umsetzbar ist. Wenig überraschend hält die CDU ihr EU-Wahlversprechen also nicht. Letztes Jahr hat es noch großspurig geheißen, Uploadfilter wären ausgeschlossen.
Die Meinungsfreiheit bleibt in Gefahr
Der Entwurf sieht vor, dass kopierte Inhalte durch die Nutzer als legal gekennzeichnet werden können. Das wäre beispielsweise dann möglich, wenn Nutzer eine Lizenz besitzen oder sich sicher sind, dass der Inhalt unter die vom Entwurf definierten Bagatellschranken fällt. Uploadfilter könnten Inhalte mit solchen „Preflags“ dann beim Upload ignorieren.
Leider definiert das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) aber eine Ausnahme dafür. Stimmt der Inhalt nämlich mit 90% des vom Rechteinhaber zur Verfügung gestellten Inhalts überein, soll ein Upload trotzdem nicht möglich sein. Also müssten Uploadfilter alle Inhalte standardmäßig immer analysieren. Wie der angedachte Algorithmus solcher Uploadfilter aussieht, hat The Communia Association gut visualisiert. Die Gefahr des Overblockings ist somit nicht gebannt, die Kunst- und Meinungsfreiheit ist weiterhin gefährdet.
Ein weiteres Problem ergibt sich aus den aktuellen laufenden unterschiedlichen nationalen Umsetzungen von Artikel 17. Frankreich und die Niederlande haben beispielsweise sehr restriktive Gesetze geplant. Wegen wirtschaftlicher Erwägungen werden Plattformbetreiber zukünftig wahrscheinlich den restriktivsten nationalen Regelungen folgen, um trotzdem Inhalte im europäischen Binnenmarkt anbieten zu können. Dadurch könnte letztlich noch mehr Overblocking entstehen — unabhängig von der deutschen Umsetzung.
Durch den Filter gedrückt
Das BMJV versucht offenbar auf die Kritik und Proteste von 2019 einzugehen. Große Teile der Netzkultur, Startups, nicht-kommerzielle Plattformen und Foren werden von der Regelung vermutlich ausgenommen. Dennoch besteht die Gefahr des Overblocking weiterhin, solange Uploadfilter eingesetzt werden müssen. Legale Inhalte könnten so letztlich doch blockiert werden, was die Richtlinie ja eigentlich vermeiden wollte. Wir sind für eine gerechte Vergütung von Urhebern, egal, ob freischaffender Künstler oder Journalist – alle haben das Recht darauf, fair bezahlt zu werden. Die diskutieren Uploadfilter mit all ihren Nachteilen lehnen wir jedoch ab, da sie in der Praxis unserer Meinung nach einen nicht-legitimen Eingriff in die Kunst- und Meinungsfreiheit darstellen. Das BMJV muss an diesen Stellen also noch deutlich nachbessern.