Obwohl es wissenschaftlich eindeutig ist, dass sie nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkt, hält Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an Homöopathie als Kassenleistung fest. Die Partei der Humanisten unterstützt den offenen Brief des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) mit der Aufforderung zur Beendigung dieser Praxis.
Homöopathie im In- und Ausland
Homöopathie ist in Deutschland beliebt. Viele Krankenkassen bieten über den gesetzlichen Leistungskatalog hinaus sogenannte „Satzungsleistungen“ für diese Therapieform an und werben damit um neue Mitglieder, auch wenn sie selbst die Wirksamkeit anzweifeln.
Seit einigen Jahren wird im Ausland wie beispielsweise Spanien, Frankreich, Großbritannien, Österreich oder den USA Homöopathie jedoch zunehmend kritisch beurteilt. So wurde sie bereits aus Universitätslehrplänen gestrichen, in Spanien sollen Pseudotherapien aus öffentlichen medizinischen Einrichtungen verbannt werden, die Verschreibungsfähigkeit auf Kosten der Krankenkassen wurde in England abgeschafft und in den USA müssen Hinweise über die Wirkungslosigkeit auf dem Produkt angebracht werden.
In Deutschland politisch umstritten
Auch in Deutschland gibt es neben zahlreichen Kritikern aus der Wissenschaft und dem Bereich der evidenzbasierten Medizin seit einiger Zeit vermehrt prominente Stimmen aus der Spitzenpolitik, die sich kritisch mit der Homöopathie als Kassenleistung auseinandersetzen. So forderten die ehemalige CDU-Familienministerin Kristina Schröder und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die Beschränkung der Kassenleistungen auf nachweisbar wirksame Medikamente und Therapien nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin. Noch vor wenigen Monaten zeigte sich auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn offen für eine Regelung nach französischem Vorbild.
Zuletzt gab es in Deutschland erkennbar mehr öffentliches Interesse an den Hintergründen der Homöopathie und dem eigenartig anmutenden Sonderweg einer nicht erforderlichen Zulassung als Arzneimittel. Beiträge von Spiegel TV über den wissenschaftsjournalistischen YouTube-Kanal „maiLab“ von Mai Thi Nguyen-Kim bis zum Neo Magazin Royale von Jan Böhmermann rückten das Thema verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung.
Die Entscheidung von Gesundheitsminister Spahn, die Erstattung durch Krankenkassen nicht antasten zu wollen, kam am 17. September daher ausgesprochen überraschend.
Medikamente müssen evidenzbasiert bewertet werden
Die Partei der Humanisten tritt konsequent für politische Entscheidungen auf Basis wissenschaftlich erwiesener Fakten an Stelle ideologischer (Wunsch-)Vorstellungen ein. Nahezu alle Teile des deutschen Gesundheitssystems folgen bereits dieser Anforderung, wie beispielsweise der konsequent Wirksamkeitsnachweise fordernde Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Patienten kennen diese Erstattungseinschränkungen beispielsweise als selbst zu tragende IGeL-Kosten (Individuelle Gesundheitsleistungen) für Behandlungen, deren Wirksamkeit nicht ausreichend erwiesen ist.
Es ist absurderweise sogar so, dass Patienten für einige unzweifelhaft wirksame Hilfsmittel wie zum Beispiel Sehhilfen oder Zahnersatz nur eingeschränkte oder gar keine Kassenleistung erhalten. Insofern ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel, gerade solche vermeintlichen Gesundheitsleistungen von einer Wirksamkeitsprüfung auszunehmen, für die nach vorherrschender wissenschaftlicher Meinung auch nach über 220 Jahren noch keine über den Placeboeffekt hinaus gehenden Wirksamkeitsnachweise vorliegen.
Über Homöopathie grassieren viele Irrtümer. Häufig wird sie beispielsweise fälschlich als Form von Naturheilkunde bezeichnet, in deren Arzneimitteln tatsächlich nachweisbare und pharmakologisch wirksame Inhaltsstoffe enthalten sind. Und die Apothekenpflicht für homöopathische Mittel erweckt oder verstärkt den Eindruck, es handle sich um tatsächlich wirksame Präparate. Richtiger wäre es, Homöopathie wie beispielsweise Hustenbonbons zu behandeln, die ebenfalls keiner Zulassung unterliegen. Sie sind im Supermarkt oder der Drogerie frei erhältlich. Dass die beiden nicht gleich behandelt werden, erweckt den falschen Anschein einer Gleichwertigkeit von homöopathischen Mitteln mit zulassungspflichtigen Arzneimitteln.
Homöopathie basiert auf magischem Denken und physikalischen Unmöglichkeiten wie dem Ähnlichkeitsprinzip und der Potenzierung. Dass der Staat sie durch Sonderbehandlung schützt und fördert, trägt aktiv zur Verbreitung eines unwissenschaftlichen, esoterischen Weltbilds bei. Und anders als Homöopathie-Anhänger gern behaupten, sind die Mittel auch nicht ungefährlich, sondern können durchaus schädlich sein, wenn sie in ernsten Fällen statt einer wirksamen Therapie eingesetzt werden. Dies gefährdet nicht nur die Gesundheit oder gar das Leben nicht umfassend informierter Patienten. Die Verzögerung aufwändigerer Behandlungen dürfte massiv verschlechterte Krankheitsverläufe und damit hohe Folgekosten für die Krankenkassen verursachen. Diese werden vermutlich um ein Mehrfaches über den von Jens Spahn als vernachlässigbar eingeschätzten 20 Millionen Euro für Homöopathie liegen. Im Sinne der Patientensicherheit und -gesundheit ist dieser Zustand nicht „ganz okay so“.
Offener Brief des INH
Das Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) bemüht sich dankenswerterweise seit mehr als drei Jahren um eine sachliche Aufklärung der Gesellschaft und ein Ende der äußerst kritikwürdigen Sonderstellung der Homöopathie in der Medizin.
Analog dazu fordern wir in unserem Positionspapier Gesundheit konsequent und deutlich die Gleichbehandlung aller Therapieformen und das Ende der Finanzierung von wirkungslosen Scheintherapien.
Darum unterstützen Die Humanisten den offenen Brief des INH an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, schließen sich den enthaltenen Forderungen an und rufen alle Unterstützer der Partei und vor allem evidenzbasierter Medizin dazu auf, den Brief ebenfalls zu unterzeichnen.