Das 1991er Embryonenschutzgesetz taugt schon lange nicht mehr als gesetzlicher Rahmen für die reproduktionsmedizinische Praxis. Ärzte behandeln Kinderwunschpatienten in rechtlichen Grauzonen und Wunscheltern umgehen deutsche Verbote mit Behandlungen im Ausland. Der Fortpflanzungstourismus birgt natürlich juristische Probleme. Eine Wunschmutter, die eine Leihmutter engagierte, musste beispielsweise ganz aktuell einen Adoptionsantrag für ihr genetisch eigenes Kind stellen.
Faktenbasierte Reproduktionsmedizin
Das Embryonenschutzgesetz war natürlich gut motiviert, ist aber schlecht gealtert. Die Gesetzgeber hatten Angst um das seelische und körperliche Wohl der Kinder. Darum beschlossen sie ein Gesetz, das bei der künstlichen Befruchtung verschiedene (medizinisch unsinnige) Vorgaben macht und sowohl Eizellspende als auch Leihmutterschaft verbietet.
Wir Humanisten stehen für faktenbasierte Politik. Wir haben bereits 30 Jahre Erfahrung mit Eizellspenden und Leihmutterschaften, z. B. in den USA. Internationale Studien haben inzwischen gezeigt: Kinder, die einen reproduktionsmedizinischen Hintergrund haben oder in Regenbogenfamilien aufwachsen, sind genauso gesund und haben eine ebenso gute Beziehung zu ihren Eltern wie alle anderen Kinder. Und auch Leihmütter scheinen den Prozess ohne psychischen Schäden zu überstehen. Das zeigt ganz klar: Wir brauchen ein modernes Fertilitätsgesetz!
Herausforderung Leihmutterschaft
Das Adoptionsvermittlungsgesetz und das Embryonenschutzgesetz verbieten die Vermittlung sowie die reproduktionsmedizinische Behandlung einer Leihmutter.
Staaten, die die sogenannte kommerzielle Leihmutterschaft erlauben (oder nicht verbieten) sind u. a. Ukraine, Georgien, Russland, Indien und Teile der USA. Neben der generellen moralisch begründeten Kritik an Leihmutterschaften sind es oft die Praktiken vor Ort, die Menschen weltweit empören – denn sie verletzen die Menschenrechte, insbesondere die der Kinder und Leihmütter.
Die anonyme Verwendung von Ei- oder Samenzellen verstößt gegen das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, so wie sie in Deutschland geregelt ist. Homosexuelle und Alleinstehende werden von Kinderwunschbehandlungen ausgeschlossen, und wenn eine in Armut lebende Leihmutter nur entlohnt wird, nachdem sie ein gesundes Kind zur Welt gebracht hat, verwischen die Grenzen zum Kinderhandel.
In der Diskussion um sinnvolle Gesetze wird als Alternative oft die sogenannte altruistische Leihmutterschaft angeführt, die z. B. in Großbritannien, Belgien oder den Niederlanden erlaubt ist. Klingt ethisch überlegen, versucht man doch in dieser Gegenüberstellung mit der kommerziellen Leihmutterschaft, letzteren ihren altruistischen Kern abzusprechen.
Die Vorsilbe “altruistisch” bedeutet im Klartext jedoch nichts anderes, als dass jede Zahlung an die Leihmutter, die über das bloße Erstatten von Ausgaben hinaus geht, verboten ist. Weil ohne finanziellen Ausgleich ihrer Leistung weniger Frauen bereit sind, sich als Leihmutter zur Verfügung zu stellen, entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Das verleitet Wunscheltern wie Leihmütter evt. dazu, mündliche Absprachen über Honorare zu treffen, wofür sie sich strafbar machen – oder sie gehen doch wieder ins Ausland. Womit ist solch eine Bestrafung zu rechtfertigen, außer mit einer Haltung, die Leihmutterschaft für moralisch verwerflich hält und sie trotzdem duldet? Wir wollen Leihmutterschaft nicht dulden, wir wollen sie anerkennen.
Wir brauchen ein Fertilitätsgesetz
Das Embryonenschutzgesetz muss gegen ein Fertilitätsgesetz ausgetauscht werden, das dem aktuellen wissenschaftlichen und medizintechnischen Stand angepasst ist. Dementsprechend streben die Humanisten die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft an. Dabei sind diverse Aspekte zu beachten:
Wo die biologische nicht mit der sozialen Elternschaft zusammenfällt, ist das Familienrecht entsprechend anzupassen: Vor allem sind bei der Eizellspende die Aufteilung der Rechte und Pflichten analog zur Samenspende zu regeln. Der genaue rechtliche Rahmen einer Leihmutterschaft muss noch erarbeitet werden, muss aber in jedem Fall die Interessen von Kindern, Leihmüttern und Wunscheltern gleichermaßen berücksichtigen.
Kinder haben dabei ein Recht auf den Schutz ihrer Identität. Das schließt für uns das Wissen darüber mit ein, von wem sie genetisch abstammen und wer sie geboren hat.
Wenn bei Kinderwunschbehandlungen Dritte mit im Spiel sind, sollen die Bewerber (Spender, Leihmütter und Wunscheltern) geprüft und begleitet werden – ähnlich der Adoptions- und Pflegekindervermittlung.
Zwei Erwachsene sollten freiwillig miteinander einen Vertrag schließen können, der evt. auftretende Probleme im Vorhinein anspricht und regelt. Wer eine Leihmutterschaft anbieten oder nutzen möchte, muss rechtlich die Möglichkeit dazu haben. In einer finanziellen Entschädigung der Leihmutter oder Spender sehen wir keinen Widerspruch zum altruistischen Wesen, sondern eine Anerkennung ihrer Leistung.
Fazit
Wir wollen Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch dabei unterstützen, eine Familie zu gründen. Wir wollen für die Möglichkeiten der modernen Fortpflanzungsmedizin einen vernünftigen gesetzlichen Rahmen setzen. Damit werden auch bisher gesellschaftlich umstrittene Methoden wie Eizellspende und Leihmutterschaft zur Normalität und ihr Beitrag zur Gründung von Familien gesellschaftlich anerkannt.