Neuseelands Liberalisierung der Sexarbeit – ein Erfolg?

Der “Prostitution Reform Act” (PRA) geht hauptsächlich auf das Frauen-Forum von 1997 zurück. Hier haben Repräsentanten verschiedener Organisationen wie dem New Zealand Prostitute’ Collective (NZPC) mit der Arbeit an einem Gesetzentwurf, der den Bedürfnissen der Sexarbeitern gerecht werden sollte. Nach einigem Widerstand wurde das Gesetz schließlich im Juni 2003 verabschiedet. Es ist einzigartig, entkriminalisiert die Sexarbeit für Personen über 18 Jahre und hat vor allem zum Ziel, die Situation für die im Sexgewerbe Arbeitenden zu verbessern. Dazu enthält es einige Regularien:

So ist beispielsweise ausschließlich Safer-Sex legal, Werbung nur eingeschränkt erlaubt und die Tätigkeit in der Prostitution für Personen mit neuseeländischen Visa nicht gestattet. Betreiber von Bordellen benötigen ein Zertifikat, und die Etablissements dürfen, mit Ausnahme von Privatwohnungen, jederzeit inspiziert werden. An welchen Orten Bordelle oder Privatwohnungen für die Sexarbeit genutzt werden dürfen, wird von den jeweiligen städtischen Verordnungen geregelt.

Kein Anstieg durch den PRA

Kritiker des PRA befürchteten vor allem, die Liberalisierung würde zu einem Anstieg der in der Prostitution arbeitenden Menschen führen. Generell sind konkrete Aussagen zur Entwicklung schwer zu treffen, weil es wenige Erhebungen gibt, die einheitlicher Methodik folgen. Lediglich für die Gebietskörperschaft Christchurch mit etwa 350.000 Einwohnern sind vergleichbare Zahlen für die Zeit vor (1999) und nach (2007) Einführung des PRA verfügbar [1, 2]. Diese legen allerdings nahe, dass es keinen entscheidenden Effekt auf die Zahl der Sexarbeiteren gibt. Lediglich eine leichte Verschiebung von der organisierten hin zu privater Arbeit ist feststellbar [2]. Für ganz Neuseeland wurde in einer 2005er Studie die Zahl der Sexarbeiter mit 5.932 beziffert, 2008 mit 2.332. Allerdings zweifeln die Verfasser selbst an einem derart starken Rückgang und begründen die große Diskrepanz mit unterschiedlichen Methoden in den Erhebungen. Dennoch sei anzunehmen, dass auch auf das gesamte Land bezogen der PRA kaum Einfluss auf die Zahlen hat [3].

Als Grund für die Entscheidung, in der Prostitution zu arbeiten, gab ein Großteil der Befragten ökonomische Gründe wie die flexiblen Arbeitszeiten und den im Vergleich hohen Stundenlohn an [2]. Die Angst vor dem möglichen ökonomischen Abstieg ist daher auch als Hinderungsgrund für den Ausstieg wahrscheinlich, wenn sich keine anderweitigen Möglichkeiten mit ähnlichen Bedingungen ergeben. Unfreiwillig arbeiteten nach eigenen Angaben im Schnitt 3.9% der Befragten. Hier gab das Review Committee vor allem einen Mangel an Unterstützung für Ausstiegsorganisationen an [3].

Liberalisierung schafft Sicherheit

Insgesamt gaben die Sexarbeiter an, sich in Folge des PRA besser durch das Rechtssystem geschützt zu fühlen und mehr Vertrauen in Polizei und Gerichte zu haben. Dies sei vor allem auch durch positive Beispiele im eigenen Bekanntenkreis gestützt [2]. Straßenprostituierte sind dabei nach wie vor die Gruppe mit der höchsten Gefährdung für Gewaltdelikte. Allerdings ist auch hier ein Rückgang erwartbar, wenn sich Selbstbewusstsein und Sicherheit auch durch erfolgreiche Strafverfolgung steigern. Hinzu kommt, dass sich ein Großteil der Sexarbeiter durch das PRA in einer besseren Verhandlungsposition mit Kunden, aber auch mit dem Management von Bordellen o.Ä. sehen [2, 3]. Auch hier kann mehr Selbstsicherheit die Situation weiter verbessern.

In den Bereichen Gesundheit und Hygiene ist zwar eine leichte Verbesserung in Hinblick auf Safer-Sex-Praktiken zu erkennen, allerdings sei insbesondere bei Oralverkehr männlicher Prostituierter unsafer Sex nach wie vor ein Problem. [2] Verstärkte Aufklärung ist daher unerlässlich. Vor allem in der Straßenprostitution sind die Möglichkeiten zur Kontrolle allerdings sehr eingeschränkt.

Verstärkter Handlungsbedarf bei Jugendlichen

Der Anteil an minderjährigen Sexarbeitern blieb nach Einführung unverändert bei etwa 1.3%. Hier wurde als Hauptproblem angeführt, dass gerade 17-Jährige häufig durch das soziale Raster fallen, weil sie zu alt für die Jugend- und Familienhilfe, aber zu jung für anderweitige Unterstützung sind bzw. der Zugang zu verfügbaren Angeboten teils mit komplizierter Bürokratie verbunden ist [3]. Da Minderjährige in der Regel auf der Straße arbeiten und sich damit Kontrollen teils entziehen, sind sie besonders gefährdet. Hier besteht also noch verstärkter Handlungsbedarf.

Fazit

Das neuseeländische Modell entspricht in seinen Grundzügen unserer Vorstellung einer liberalen Gesellschaft. Es arbeitet gegen die Stigmatisierung von Prostituierten als fremdgesteuerte Opfer und der Sexarbeit als moralisch verwerflich. Entgegen mancher Befürchtung hat es nicht zu einem Anstieg der Zahl der Sexarbeiter geführt. Gleichzeitig hat es jedoch ihre rechtliche und damit auch tatsächliche Situation verbessert.

Die Evaluation zeigt aber auch, dass es ein Modell mit Mängeln ist. Vor allem die Straßenprostitution entzieht sich teilweise der Kontrolle und die zur Verfügung gestellten finanziellen und personellen Mittel reichen teilweise nicht aus, um das Gesetz auch durchzusetzen bzw. anzuwenden. Zudem werden Hilfsorganisationen, die sich um Ausstieg, Beratung und gesundheitliche Aufklärung kümmern, nicht ausreichend gefördert.

Der PRA ist also ein gutes Beispiel, das in die richtige Richtung weist und gleichzeitig aufzeigt, an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht.

  1. http://archive.stats.govt.nz/Census/2013-census/profile-and-summary-reports/quickstats-about-a-place.aspx#14758, Abgerufen: 09.03.2019, 17:05
  2. The Impact of the Prostitution Reform Act on the Health and Safety Practices of Sex Workers – Report to the Prostitution Law Review Committee; Department of Public Health and General Practice, University of Otago, Christchurch, 2007, Abrufbar auf: https://www.otago.ac.nz
  3. Report of the Prostitution Law Review Committee on the Operation of the Prostitution Reform Act 2003; Ministry of Justice, Wellington, New Zealand; Mai 2008