Die überfällige EU-Urheberrechtsreform beinhaltet einige kritische Aspekte. Besonders prominent: Artikel 13. Der soll in Zukunft auch Plattformen wie Facebook oder Youtube für Urheberrechtsverletzungen haftbar machen, die Nutzer auf ihnen begehen.
Eine verpflichtende Vorprüfung der Inhalte soll das vermeiden. Unternehmen, die ja unmöglich jedes einzelne Bild oder Video durch einen Mitarbeiter überprüfen lassen können, werden gezwungen sein, auf Uploadfilter zurückzugreifen. Diese Filter scannen alle Nutzerinhalte und sollen Urheberrechtsverletzungen direkt löschen oder sperren – andere technische Lösungen mit demselben Effekt wären natürlich ebenfalls akzeptabel, sind derzeit aber nicht in Aussicht.
Ja, das Urheberrecht und ein freies, kreatives Internet kollidieren an manchen Stellen und dafür braucht es Lösungen – und gerade wir stehen dafür auch neuen Technologien grundsätzlich positiv gegenüber. Doch diese Uploadfilter wurden nun schon seit Monaten breit diskutiert, ihre Schwächen sind offensichtlich und wurden von zahlreichen Experten kritisiert. Ihren Einsatz quasi zu erzwingen (die Ausnahmen greifen nur bei besonders jungen und kleinen Plattformen), schießt weit über das Ziel hinaus und richtet potentiell großen Schaden an.
Schlecht für Kunst- und Meinungsfreiheit, für den Digitalstandort Europa und für die EU
Die Filter-Fan-Behauptung, es gäbe kein Risiko für Kreativformate wie Memes, ist nicht korrekt. Die Ausnahmeregelungen sind bestenfalls schwammig und müssen national ausgearbeitet werden. Und auch moderne Uploadfilter sind in vielen Fällen vermutlich nicht fähig, legitime von urheberrechtlich verbotenen Medien zu unterscheiden – etwa im Fall von Parodien. Das sind klare Eingriffe in Kunst- und Meinungsfreiheit. Hier wird nicht nur das Internet kaputtgefiltert. Es ist der Anfang einer Zensurmaschine, die früher oder später auch gut gegen andere Inhalte verwendet werden kann – eine Masche, die wir immer wieder sehen.
Wenn es um Videoformate wie Let’s Plays oder speziell auch um das Streamen von Spielen geht, wird es ebenfalls schwierig. Schließlich leben diese Formate davon, dass sie live sind. Eine Filtersperre, die man erst mal wegdiskutieren oder gegen die man vielleicht sogar klagen müsste, ist der Todesstoß für dieses Format.
Der letzte Ausweg für Unternehmen: Für alle urheberrechtsverletzenden Inhalte, die möglicherweise bei ihnen hochgeladen werden könnten, im Voraus Lizenzverträge abschließen. Dieser Weg würde allerdings alleine aufgrund der hohen Kosten wohl nur von den wenigsten unter ihnen genutzt werden.
Nicht nur was Kunst und Freiheit betrifft, ist die Urheberrechtsreform so ein Problem. Egal, ob wir nun Uploadfilter (ganz unabhängig von ihren sonstigen Schwächen) oder den endlosen Haufen an Lizenzen betrachten, für kleine digitale Aufsteiger ist das kaum zu stemmen – und die Ausnahmeregelungen für sie gelten eben nicht ewig. Ständig reden praktisch alle Parteien davon, dass wir den digitalen Markt in Europa stärken müssen. Stattdessen treiben SPD, Union und die Mehrheit der Grünen nun wohl die vielen Kleinen noch tiefer in die Arme von Google und anderen Marktführer, die als einzige die notwendigen Dienste anbieten können und damit alle anderen noch abhängiger machen werden. Gleichzeitig könnte auch Artikel 11 vor allem Schaden anrichten, statt Verlegern zu helfen.
Fair Use statt Uploadfiltern
Daher sagen wir nein zu der aktuellen Version der Reform und wehren uns scharf gegen jedes weitere derartig undurchdachte, autoritäre Gesetz wie das NetzDG. Gerade im Internet, dem Massenmedium des 21. Jahrhunderts, muss Meinungs- und Kunstfreiheit herrschen. Und wenn Europa jemals ein relevanter Digital-Player werden will, sollten wir es uns nicht selbst kaputt schießen. Ganz zu schweigen vom Frust auf die EU, den beratungsresistente Parteien mit so einem Gesetz besonders bei jungen Menschen verursachen können. Hoffentlich erkennen die wiederum, dass das Problem hier nicht die EU, sondern die großen Parteien sind.
Kaum ein Kritiker der Urheberrechtsreform – uns eingeschlossen – spricht sich gegen das Urheberrecht im Allgemeinen aus. Im Gegenteil sind wir für eine gerechte Vergütung von Urhebern, egal, ob freischaffender Künstler oder Journalist – alle haben das Recht darauf, fair bezahlt zu werden. Allerdings darf dies nicht als Vorwand genommen werden, um einen derartigen Eingriff in das Internet und die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen.
Wo das Urheberrecht schwer umsetzbar wird, braucht es eine Reform davon, aber eben eine sinnvolle, nicht ein paar schwammige Ausnahmen, die national geregelt werden sollen. Auch Aspekte wie eine europäische Fair-Use-Regelung müssen zumindest diskutiert werden. Und vielleicht ist das auch ein guter Zeitpunkt, um über Ideen wie die vom WWW-Erfinder Tim Berners-Lee zu reden, auch wenn sie weit über die Urheberrechtsfrage hinaus gehen: ein Neustart für das Internet.
Wir haben noch keine perfekte Lösung, aber jetzt auf Teufel komm raus ein halb gares Gesetz zu beschließen, das mehr kaputt macht, als es repariert, ist auf jeden Fall auch keine.
Darum ran an die Smartphones und raus auf die Straße: Retten wir das Internet.