Wir stehen wenige Wochen vor der Europawahl und es scheint, dass die schlechten Kalauer einer konservativen Politikerin medial interessanter sind als Europas Zukunft. Dabei geht es bei dieser Wahl um alles. Die Weichen werden gestellt und wir müssen uns entscheiden in welche Richtung es gehen soll: Föderalismus oder Nationalismus.
Europa muss sich verändern. Die EU muss reformiert werden. Die richtige Antwort kann in meinen Augen nur ein stärkeres Zusammenrücken sein. Ein Zerfall schadet allen. Wer das nicht glaubt, der darf mit dem Brexit gerade live und in Farbe dabei zuschauen, wie man ein Land mit Vollgas gegen die Wand fährt. Kein EU-Land ist den enormen Veränderungen und Herausforderungen unserer Zeit alleine gewachsen.
Während andere europäische Regierungspolitiker diese Wahrheit kennen mögen, hat offensichtlich keiner den Mut und die Energie Macrons, für eine entsprechende Politik aktiv einzutreten. Bereits seinen Wahlkampf bestritt er dezidiert mit Europa als Leitmotiv. An der Universität Sorbonne forderte er in einer flammenden Rede weitreichende Reformen. Sie trug den Titel “Europa neu gründen.” Seine Initiative blieb weitestgehend unbeantwortet. Deutsche Spitzenpolitiker zögerten, kritisierten, merkelten.
Nun wendet sich Macron direkt an die Bürger. “Für einen Neubeginn in Europa” ist der Titel des Appells, der in allen 28 Mitgliedsländern in der jeweiligen Landessprache in Tageszeitungen gedruckt wurde. Das Besondere: Mit diesem Vorstoß wird ein länderübergreifender Diskurs in der Gesellschaft angestoßen. Das “strukturelle Demokratiedefizit der EU” wird gekontert. Bürgerinnen und Bürger der Länder werden als Europäer adressiert. Sie sind nicht mehr nur Deutsche, Franzosen und Polen, sie sind Teil einer europäischen Zivilgesellschaft.
An diese Zivilgesellschaft richtet Macron umfassende Vorschläge, die Europa innen- und außenpolitisch, wirtschaftlich und sozial, technologisch und ökologisch auf eine ganz neue Stufe stellen könnte. Er fordert eine Europakonferenz, auf der Änderungen angestoßen, Verträge überarbeitet oder gar neugeschrieben werden können. Nach Jahren der Krisen und nur gradueller Anpassungen braucht es genau eine solche Konferenz mit umfassenden Reformen. Europa muss Antworten finden.
Dem einen Kritiker mögen Macrons Vorschläge zu ausufernd, dem anderen zu wenig umfassend und dem dritten im Detail nicht richtig erscheinen. Doch vollkommen klar ist: Sie würden ein neues Kapitel europäischer Politik anstoßen. Es ist ein Kapitel, das dringend notwendig ist. Ein Kapitel, das auch wir bereits weitreichend in unserer “Vision für Europa: Die Bundesrepublik” erdacht haben.
Begonnen hatten wir es mit den Worten “Mit unserer Vision möchten wir die Debatte um die Zukunft Europas bereichern und den Diskurs mit neuen Impulsen anstoßen.” Genau das macht Macron. Es wird Zeit für eine Antwort aus Deutschland. Wer diese Reformvorschläge erneut abtut, ohne konstruktiv eigene Ideen einzubringen, der zeigt damit deutlich sein Desinteresse. Doch Desinteresse ist der schleichende Tod der Demokratie.
Wir müssen über die Zukunft Europas diskutieren, argumentieren, um sie streiten. Politisieren wir uns, aber bleiben wir dabei stets fair.
– Robin Thiedmann, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat bei der Europawahl 2019
Warum ein Zurück zum Nationalstaat nicht die Lösung ist und Europa sich zu einem föderalen Bundesstaat weiterentwickeln sollte, erläutert Robin Thiedmann in diesem Interview: https://youtu.be/sAS3UGgld4A