Medical Gaslighting bezeichnet den Eindruck von Patienten, dass ihre Symptome von Ärzten abgetan, bagatellisiert, ignoriert oder als Einbildung abgetan werden, anstatt sie ernsthaft zu untersuchen und zu behandeln. Dieses Phänomen betrifft vor allem Patienten mit unklaren Symptomen. Auch wenn diese Form der Ignoranz meist auf Unwissenheit beruht, hat sie schwerwiegende Folgen. Patienten werden nicht nur falsch oder gar nicht behandelt, ihnen wird oft auch die notwendige Unterstützung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts verweigert. Zwei erschreckende Beispiele dafür sind die Erkrankungen Endometriose und Long Covid.
Endometriose: Eine unsichtbare Krankheit mit verheerenden Folgen
Endometriose betrifft weltweit etwa 10 % aller Frauen im gebärfähigen Alter, das sind rund 190 Millionen Betroffene. Diese chronische Erkrankung, bei der Gewebe ähnlich der Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter wächst, kann zu unerträglichen Schmerzen und Unfruchtbarkeit führen. Dennoch dauert es im Durchschnitt sieben bis zehn Jahre, bis die Diagnose gestellt wird.
Frauen mit Endometriose berichten häufig, dass ihre Symptome als „normale Menstruationsbeschwerden“ abgetan wurden. Sie hören oft Sätze wie „Das ist alles nur Einbildung“ oder „Sie müssen lernen, mit den Schmerzen zu leben“. Diese Aussagen werden der Realität und Schwere der Erkrankung nicht gerecht und führen dazu, dass Frauen jahrelang unter starken Schmerzen leiden, die ihren Alltag massiv beeinträchtigen.
Viele leiden unter starken Krämpfen, chronischen Beckenschmerzen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und beim Stuhlgang. Die andauernde Vernachlässigung führt zu erheblichen psychischen Belastungen, Isolation und Depressionen, die sich auch auf die Arbeitsleistung auswirken und somit zu Problemen am Arbeitsplatz führen können.
Long Covid: Eine neue Herausforderung, die ernst genommen werden muss
Long Covid ist ein Syndrom, das nach einer COVID-19-Infektion auftreten kann und anhaltende Symptome wie Müdigkeit, Kurzatmigkeit, Gehirnnebel und Schlafstörungen verursacht. Studien zeigen, dass etwa 10 – 30 % der COVID-19-Überlebenden von Long Covid-Syndrom betroffen sind [1]. Das bedeutet, dass weltweit Millionen von Menschen mit den Langzeitfolgen zu kämpfen haben.
Wie bei der Endometriose berichten viele Betroffene, dass ihre Beschwerden heruntergespielt oder ignoriert werden. Patienten hören oft, dass ihre Symptome eingebildet seien oder dass sie einfach Geduld haben müssten [2]. Diese Haltung verzögert nicht nur eine angemessene Behandlung, sondern verschlimmert auch das Leiden der Betroffenen. Eine lange Krankheitsdauer kann die Arbeitsfähigkeit und die Lebensqualität drastisch einschränken und zu finanziellen Problemen und erheblichen psychischen Belastungen führen.
Dringender Handlungsbedarf: Maßnahmen gegen Medical Gaslighting
Um zu verhindern, dass bei Long Covid und anderen Krankheiten dieselben Fehler wie bei Endometriose gemacht werden, sind sofortige und entschlossene Maßnahmen erforderlich:
Die richtigen Rahmenbedingungen:
Verbesserte Arbeitsbedingungen und Maßnahmen gegen den Mangel an Ärzten und Pflegepersonal ermöglichen es dem medizinischen Fachpersonal, sich individueller um die Probleme der Patienten zu kümmern.
Aufklärung und Sensibilisierung:
Medizinisches Fachpersonal muss besser über häufig fehl- oder undiagnostizierte Krankheiten informiert werden. Dies kann durch gezielte Aus- und Weiterbildung erreicht werden.
Verstärkte Forschung:
Mehr Forschung ist notwendig, um Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankungen zu verstehen, einschließlich klinischer Studien und der Sammlung von Patientendaten.
Patientenzentrierter Ansatz:
Ärzte sollten den Berichten und Symptomen der Patienten mehr Glauben schenken und sie als Partner in der Behandlung betrachten. Ein patientenzentrierter Ansatz ist unerlässlich.
Unterstützungsnetzwerke:
Menschen mit Krankheiten wie Long Covid und Endometriose sollte der Zugang zu Unterstützungsnetzwerken und Selbsthilfegruppen erleichtert werden, um den Austausch von Erfahrungen und Strategien zu fördern und Isolation zu verringern.
Politische Unterstützung:
Politische Initiativen sind notwendig, um die Finanzierung und Unterstützung für die Erforschung und Behandlung dieser Krankheiten zu erhöhen und die Gesellschaft für die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen zu sensibilisieren. Gesetzesänderungen und öffentliche Gesundheitskampagnen können dies fördern.
Fazit
Medical Gaslighting ist ein ernstes Problem, das nicht nur die Diagnose und Behandlung von Krankheiten verzögert, sondern auch das Vertrauen der Patienten in das Gesundheitssystem untergräbt. Endometriose und Long Covid sind zwei alarmierende Beispiele, die zeigen, wie schädlich diese Praxis sein kann. Es ist an der Zeit, dass Angehörige der Gesundheitsberufe und die Gesellschaft als Ganzes dieses Problem erkennen und Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass alle Patienten die ernsthafte und respektvolle Behandlung erhalten, die sie verdienen.
Durch gezielte Maßnahmen und eine stärkere Sensibilisierung können wir verhindern, dass weiterhin Millionen von Menschen unnötig leiden müssen. Die Zeit zum Handeln ist jetzt!
[1] https://www.nature.com/articles/s41579-022-00846-2
[2] https://www.kleinezeitung.at/lebensart/gesundheit/18347412/umgang-mit-betroffenen-einer-der-
groessten-skandale-in-der-medizin