Prüfantrag ergibt: Zeitenwende verscholzt – Verbündete verprellt

DIE RAMSTEIN-KONFERENZ
 
Vor ein paar Tagen trafen sich im rheinland-pfälzischen Ramstein Vertreter der Länder, die die Ukraine militärisch und finanziell gegen die russische Invasion unterstützen. Dabei galt besonderes Augenmerk der Frage, wie Deutschland mit seinem gerade ins Amt eingeführten Verteidigungsminister Boris Pistorius über die Lieferung von Leopard-Panzern entscheiden würde. Zusätzlich stand zur Debatte, ob Deutschland seinen Verbündeten, die zuvor Panzer aus deutscher Produktion erworben hatten, die Weitergabe an die Ukraine genehmigen würde [1]. Deutschland steht seit fast einem Jahr in der Kritik, weil es nur sehr zögerlich und in Summe zu wenige schwere Waffen liefert. Bei der Ramstein-Konferenz hätte Deutschland die Chance gehabt, seine Blockade zu beenden und der Ukraine endlich in dem Umfang zu helfen, der möglich und auch zwingend nötig ist.

Die Chance wurde nicht nur vertan, es kam sogar zu einem weiteren Offenbarungseid:

Elf Monate nach Scholz‘ eindrucksvoller „Zeitenwende“-Rede im Bundestag [2] zu Beginn von Russlands Angriff auf die Ukraine möchte Boris Pistorius prüfen lassen, welche Bestände der Leopard-Panzer für eine Weitergabe einsatzfähig genug wären. Unklar ist aktuell noch, ob so eine Liste nun doch schon vorliegt oder nicht. Laut einiger Medienberichte existiert diese sehr wohl, in diesem Fall wäre die Aussage des Verteidigungsministers mindestens fragwürdig [3]. Auf jeden Fall sollte eine solche Information eigentlich zu jeder Zeit vorliegen. Nun ist schon lange bekannt, dass die Bundeswehr generell mit organisatorischen Problemen konfrontiert ist, die grundlegend angegangen werden müssen. Nicht alle Fehler der Vergangenheit liegen direkt im Verantwortungsbereich von Olaf Scholz. Im gegenwärtigen Zustand aber, wo eine solche Inventur dringend nötig ist, hätte man sie gleich am 24. Februar 2022, spätestens jedoch nach der „Zeitenwende“-Rede durchführen müssen.
 
Auch wenn das Ministerium zu diesem Zeitpunkt noch mit Frau Lambrecht besetzt war, die mittlerweile zurückgetreten ist, muss dieses Versagen auch Olaf Scholz angerechnet werden. Denn nicht nur hat er sie trotz fehlender verteidigungspolitischer Erfahrung zur Verteidigungsministerin berufen und bis zum Schluss an ihr festgehalten, er trägt als Kanzler auch ohnehin die letzte Verantwortung für den Kurs seiner Regierung.

ZEITENWENDE INS NICHTS?

Scholz sagte einmal über sich selbst:
 
 „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er die dann auch bekommt“ [4].
 Davon ist nichts zu sehen. Die Kommunikation, sowohl mit den Bürgern hierzulande als auch mit den Verbündeten, ist katastrophal.
 
Scholz‘ Ausreden wurden über die Zeit zudem immer abstruser. Mal sollte irgendein alliiertes Land vorangehen und zuerst Kampfpanzer liefern. Als Großbritannien genau dies ankündigte, sollten es plötzlich auch amerikanische Panzer (Abrams) sein. Diese sind aber für den Einsatz in der Ukraine weniger gut geeignet als deutsche Leopard-Panzer [5].
 
Die Kommunikation der Bundesregierung ist eine Aneinanderreihung von Verzögerungen und Ausreden. Mehrere andere Länder schicken – relativ zu ihrer Größe und Wirtschaftskraft – beträchtlich mehr militärisches Gerät und sonstige Hilfen [6]. Deutschland hingegen hat seine Rolle als zuverlässiger Verbündeter eingebüßt. Es wird viel nötig sein, um das verlorene Vertrauen wieder aufzubauen – eine echte Zeitenwende!
 
In der Rede vom Februar 2022 sagte Scholz zudem Folgendes:
 
Das Ziel ist eine leistungsfähige, hochmoderne, fortschrittliche Bundeswehr, die uns zuverlässig schützt. Ich habe bei der Münchner Sicherheitskonferenz vor einer Woche gesagt: Wir brauchen Flugzeuge, die fliegen, Schiffe, die in See stechen, und Soldatinnen und Soldaten, die für ihre Einsätze optimal ausgerüstet sind. Darum geht es. Und das ist ja wohl erreichbar für ein Land unserer Größe und unserer Bedeutung in Europa.“
 
Unsere größte Stärke sind unsere Bündnisse und Allianzen. Ihnen verdanken wir das große Glück, das unser Land seit über 30 Jahren genießt: in einem vereinten Land zu leben, in Wohlstand und Frieden mit unseren Nachbarn. Wenn wir wollen, dass diese letzten 30 Jahre keine historische Ausnahme bleiben, dann müssen wir alles tun für den Zusammenhalt der Europäischen Union, für die Stärke der Nato, für noch engere Beziehungen zu unseren Freunden, Partnern und Gleichgesinnten weltweit. Ich bin voller Zuversicht, dass uns das gelingt. Denn selten waren wir und unsere Partner so entschlossen und so geschlossen.“ [2] 


In Anbetracht seiner bisherigen Untätigkeit wirken diese beiden Passagen wie blanker Hohn.
 

ZÖGERLICHE HILFE FÜHRT ZU STÄRKEREM LEID UND ZERSTÖRUNG IN DER UKRAINE

Bereits im Mai 2022 [7] hatten wir vehement die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine gefordert. Schon damals war Deutschlands Zögern fatal und hat international für ungläubiges Kopfschütteln gesorgt. In der Anfangszeit wurde lediglich die Lieferung von 5000 Helmen verkündet, die zudem unverhältnismäßig lange dauerte. Bereits dies löste international Unverständnis aus. Später wurden einige Panzerhaubitzen und Gepard-Flugabwehrpanzer geliefert. Diese haben sich zwar auf dem Schlachtfeld für die Ukraine tatsächlich als nützlich erwiesen, sind aber bei Weitem nicht ausreichend. Die Lieferung von 40 Schützenpanzern des Typs Marder ist beschlossen, aber noch nicht durchgeführt.

Russland führt einen blutigen Vernichtungskrieg in Europa – und dies seit fast einem Jahr. Es ist völlig unverständlich, geradezu unverzeihlich, in einer solchen Situation derart träge oder gar nicht zu reagieren.

Beschämend ist darüber hinaus, den Verbündeten, die über Jahre hinweg Leopard-Panzer aus deutscher Produktion gekauft haben, die Weitergabe dieser dringend benötigen Kampfpanzer an die Ukraine zu untersagen.

Die Ukrainer erleiden hohe Verluste, täglich werden durch russische Truppen und Bombardierungen schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit an der Zivilbevölkerung verübt. Die ukrainische Regierung hat acht Tage nach Invasionsbeginn um Panzer aus Deutschland und anderen Staaten gebeten. Nach einer solchen Anfrage elf Monate lang nicht einmal eine Inventur zu veranlassen, ist ein durch nichts zu entschuldigendes Versäumnis. Jüngsten Medienberichten zufolge besteht sogar die Möglichkeit, dass die ehemalige Verteidigungsministerin Lambrecht eine Bestandsaufnahme von Leopard-Panzern untersagt hat, um Scholz nicht zusätzlich unter Druck zu setzen [3]. Das Bild, das wir durch ein solches Verhalten bei unseren Verbündeten abgeben – insbesondere bei denen mit Grenze zu Russland oder Weißrussland –, ist desaströs [8][9][10].

Bereits im vergangenen Dezember hat der Militärhistoriker Sönke Neitzel ein vernichtendes Urteil über die bisherigen Maßnahmen seit Verkündung der Zeitenwende gefällt [11].
 
Auch in vergangenen Regierungen war es oft die SPD, die wichtige Rüstungsvorhaben blockierte. Beispiele dafür sind die Verhinderung der Beschaffung von Drohnen [12] und die generelle Absage an Aufrüstung [13].
 
Es ergibt sich der fatale Gesamteindruck, dass diese Partei nicht nur auf Deutschlands Verteidigungsfähigkeit einen kontraproduktiven, ja miserablen Einfluss hat, sondern dass sie diesem Land auch schweren außenpolitischen Schaden zufügt.


 
DEUTSCHLAND MUSS DEN EUROPÄISCHEN PARTNERN MIT ALLEN MITTELN BEISTEHEN
 
Als sofortige Hilfsmaßnahme für die Ukraine sollte Deutschland umgehend die Weitergabe der Leopard-Panzer der Verbündeten genehmigen und so viele aus dem eigenen Bestand einsatzbereit machen, wie es möglich ist. Dies gilt auch für andere Waffen-Systeme wie z. B. weitere Marder. Wenn deutlich beschleunigte Verfahren und Prozesse bei der Errichtung von LNG-Terminals möglich sind, so kann man gerade bei diesem Thema, bei dem es um Leben und Tod geht, erwarten, dass es ebenfalls „Chefsache“ wird und in dem Maße beschleunigt wird, welches technisch machbar ist. Zudem sollte zeitnah mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten für die Benutzung von Leopard-Panzern in Deutschland begonnen werden. Polen ist hierbei schon vorangegangen und zeigt aktuell mehr Führungselan und europäische Solidarität als Deutschland [14] – so wie nahezu alle unsere Partnerländer.
 
Wir stehen für ein Europa, das seinen Werten treu bleibt und bereit ist, diese zu verteidigen.
Nach dem jüngsten Debakel wird einmal mehr deutlich: Wir brauchen eine europäische Armee [15]. Sie muss modern, stets ausreichend gewartet, flexibel, gut geführt und einsatzbereit sein. Und Europa braucht den Willen, diesen Kontinent, seine Bürger, die vielfältigen Kulturen und generell die Menschlichkeit zu verteidigen.
 

[1] Debatte um „Leopard 2“-Panzer: Polen hält Scholz‘ Haltung für „inakzeptabel“ | tagesschau.de

[2] Historische Rede von Olaf Scholz im Wortlaut: „Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie davor“ (rnd.de)

[3] Lambrecht verbot Bestandsaufnahme von Leopard 1 und 2 – Business Insider

[4] Wahlen: Scholz: „Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie“ – FOCUS online

[5] Kampfpanzer mit Tücken: Warum die USA keine Abrams an die Ukraine liefern – n-tv.de

[6] Ukraine Support Tracker | Kiel Institute (ifw-kiel.de)

[7] Statement des Bundesvorstands: Schwere Waffen für die Ukraine – Partei der Humanisten (diehumanisten.de)

[8] Germany faces backlash over reluctance to send tanks to Ukraine | Ukraine | The Guardian

[9] https://twitter.com/anders_aslund/status/1616562195067818000?s=20&t=1xY5d-LsUz5K7-VReeH4uQ

[10] Kampfpanzer für die Ukraine: Heftiger Streit zwischen Deutschland und USA (berliner-zeitung.de)

[11] Was ist aus Scholz „Zeitenwende“ geworden? – ZDFheute

[12] Drohnenstreit: Fritz Felgentreu gibt Amt als verteidigungspolitischer Sprecher ab – WELT

[13] Bundeswehr-Etat: SPD positioniert sich klar gegen AKKs Aufrüstungsplan – FOCUS online

[14] Ukrainische Soldaten werden an Leopard-Panzern in Polen ausgebildet | BR24

[15] Die EU-Armee: Für Frieden und Stabilität – Partei der Humanisten (diehumanisten.de)