Je autoritärer, desto homophober – auf diese Formel lässt sich wohl bringen, was derzeit in einigen Ländern Europas geschieht: Das streng katholische Polen erklärt Gemeinden zu „LGBTI-freien“ Zonen, das ungarische Parlament beschließt Gesetze, die verbieten, Homosexualität als etwas Normales darzustellen – und wenn in Italien ein fortschrittliches Anti-Diskriminierungsgesetz beschlossen wird, schreitet der Vatikan dagegen ein. Sind wir auf dem Weg in ein Mittelalter des 21. Jahrhunderts?
In letzter Zeit nehmen tätliche Angriffe auf Homosexuelle und Vertreter der LGBTQ-Community zu und die bisherigen Errungenschaften werden teilweise wieder zurückgenommen. AfD-Politiker geben homophobe Parolen von sich, in der Schweiz wehrt sich die SVP gegen die Ehe für alle, in Ungarn wurde im letzten Jahr homosexuellen Paaren das Adoptionsrecht entzogen und am 14. Juni wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Diskussion über geschlechtliche Vielfalt in Schulen, Medien und öffentlichen Räumen verbietet. Hier werden Menschenrechte eingeschränkt und zentrale Werte der EU, wie Toleranz und Gleichbehandlung, untergraben.
Auch in Georgien kam es am Montag zu Gewaltexzessen gegenüber Homosexuellen und Journalisten, nachdem die Patriarchen der Orthodoxen Kirche und konservative Politiker zu Demonstrationen gegen die erste geplante Pride Parade in Tiflis aufgerufen hatten. Diese wurde daraufhin abgesagt.
Wenn aber, wie gerade in Italien, mit einem Anti-Diskriminierungsgesetz Hass gegen Schwule, Lesben, Trans- und Bisexuelle unter Strafe gestellt werden soll, ruft das den Vatikan auf den Plan, der aus lauter „Sorge“ in die italienische Gesetzgebung eingreifen will. Dabei soll das sogenannte Zan-Gesetz (benannt nach seinem sozialdemokratischen Initiator Alessandro Zan) LGBTQ-Menschen nur die gleichen Rechte einräumen, wie sie auch für andere Minderheiten gelten. Aufrufe zur Gewalt aus religiösen oder rassistischen Motiven sind schon heute strafbar, nun soll das auch für diskriminierende Verhaltensweisen gegenüber Menschen gelten, die nicht dem traditionellen Geschlechterrollenbild entsprechen. Für den Vatikan ist das zu viel der Toleranz. Ebenso wie Rechtspopulisten befürchtet er einen „Angriff auf die Meinungsfreiheit“, wenn in Zukunft Homosexuelle als gleichberechtigt angesehen werden.
Dieser formelle Protest des Vatikans gegen eine Entscheidung des italienischen Parlaments ist beispiellos. Er zeigt, worin die katholische Kirche, die Barmherzigkeit und Nächstenliebe predigt, ihre „Freiheit“ sieht: in der Möglichkeit Ressentiments zu schüren, Stigmatisierung zu fördern und ihre rückständige Ideologie auch heute noch durchzusetzen.
Wir fordern die bedingungslose Gleichstellung aller Menschen, unabhängig ihrer Religion, ihrer Sexualität oder ihres Geschlechts. Religionsgemeinschaften und Glaube selbst sollte in den Verfassungen und Gesetzen keine Rolle spielen und kein Mitspracherecht erhalten. Die Religionsfreiheit beinhaltet nämlich auch, gänzlich ohne Religion leben zu können.
Mehr zu unseren Positionen zu Säkularisierung, Vielfalt und Toleranz findet ihr in unserem Wahlprogramm