Corona-crush: Regierung zockt, alle verlieren

Wir sagen es klar und deutlich: Die Bundesregierung hat versagt. So sehr man auch im Großen und Ganzen mit der Bewältigung der ersten Coronawelle noch zufrieden sein konnte, so muss man jetzt feststellen:

Sämtliche Vorbereitungen, die man im Sommer 2020 hätte treffen können und müssen, sind nicht getroffen worden. Deutschland ist im Gegensatz zu anderen Ländern ohne irgendwelche Vorkehrungen in die zweite Welle hineingeschlittert. Die Folgen sind katastrophal: Zehntausende weitere Tote, Millionen Infizierte, die vermeidbar gewesen wären; Chaos an den Schulen und Universitäten sowie in Unternehmen; Selbstständige und ganze Branchen, die vor dem Ruin stehen.
Es helfen keine Ausreden: Das hätte man viel besser machen können. Im Folgenden zeigen wir auf, was sich nun ändern muss.

Was lief falsch?

Fehlender Breitbandausbau

Ein Grundproblem liegt bereits länger zurück: Deutschland hat es in den Jahren unter der großen Koalition nicht geschafft, den Breitbandausbau konsequent voranzutreiben. Dies wurde trotz mehrfacher Ankündigung seitens der Regierung versäumt.
Die Infrastruktur hinkt im europäischen Vergleich nach. Das gefährdet in normalen Jahren „nur“ die Wettbewerbsfähigkeit, in Coronazeiten jedoch erschwert es lebensrettende Maßnahmen wie Homeoffice und Homeschooling.
 

Fehlende digitale Lernkonzepte

Noch schlimmer sieht es mit digitalen Lernkonzepten aus: Es gab sie schlichtweg nicht. Deutschland rangiert in der EU auf Platz 27 von 27 Ländern beim digitalen Lernen laut der Studie „Bereitschaft für digitales lebenslanges Lernen“ des CEPS. Jedes einzelne EU-Mitglied macht es besser. Das ist eine verheerende Bilanz.
Gelder, die in riesigen Bürokratie-Gebilden statt in technischer Ausstattung versinken und dem altbekannten Problemkind „Bildungsföderalismus“ sei Dank gibt es bis heute weder vernünftige Konzepte, noch wären gar Lösungen in Sichtweite.

Fehlende Einsicht

Auf Ebene der Kultusminister gab es zudem viele Blockadehaltungen und wenig Einsicht für das wahre Ausmaß der Krise. Es wurden vehement Schulöffnungen gefordert und leider zum Teil auch durchgesetzt. Hervorgestochen hat hier deutlich Frau Eisenmann aus Baden-Württemberg, die trotz vielfacher Warnungen für eine schnelle Wiederöffnung der Schulen plädiert hatte.
Wenn man mit Lernkonzepten aus der Zeit des Kaiserreichs gegen die Pandemien der Neuzeit ankämpft, kann man nur verlieren. Auch an der Spitze der Bildungspolitik in diesem Land muss man feststellen, dass mit einer Anja Karliczek „alles beim Alten“ geblieben ist.

Fehlende Vorbereitung im Sommer

Die Verfehlungen der letzten Jahre konnten natürlich nicht in kurzer Zeit ungeschehen gemacht werden. Aber wie kann es sein, dass der Sommer verschenkt wurde, ohne dass es auch nur irgendwelche sinnvollen Maßnahmen wie Luftfilter, stufenweisen Unterrichtsbeginn, halbierte Klassen, mehr Technologie, digitale Fortbildung etc. im schulischen Bereich gab?

Fehlende Home-Office-Möglichkeiten

Unternehmen kann man per Gesetz schnell zu einem Umdenken bringen. Im Zweifel müssen sie schließen und haben dadurch einen besonders hohen Anreiz, dort Homeoffice umzusetzen, wo es möglich ist.

Daneben gibt es aber noch das offensichtliche Versagen der Behörden. Und hier ist es aufgrund starrer Strukturen, unklarer Verantwortlichkeiten und schlichtweg schlechter Organisation schwieriger, zeitnah auf digitale Arbeit von zu Hause umzustellen. Viele veraltete Prozesse erfordern immer noch analoge Dokumente und Vorgehensweisen. Dennoch hätte auch hier im Sommer schon teilweise Abhilfe geschaffen werden können, beispielsweise durch die Beschaffung von Laptops, wenn nicht gar durch die Digitalisierung einiger Arbeitsabläufe. Etliche europäische Länder können einen deutlich höheren Grad an Digitalisierung der Behörden aufweisen.

Fehlende Konsistenz der Maßnahmen

Aufgrund von Druck aus verschiedenen Richtungen und weil einige Ministerpräsidenten und Kultusminister die Lage massiv unterschätzten, ließen sich die politischen Akteure auf eine Politik der kleinen Schritte ein, die die Infektionszahlen nicht wirklich senkte, den Lockdown light in die Länge zog und letztlich zu deutlich mehr gesellschaftlichem Unmut führte, als es einmaliges konsequentes Handeln getan hätte.

Fehlende Infrastruktur für Katastrophen

Aufgrund von Sparmaßnahmen in den letzten Jahrzehnten wurden viele Strukturen abgebaut, die man nun dringend benötigt hätte. Experten bemängeln, dass es an Konzepten, Personal und Material fehlt. Dies gilt nicht nur für Pandemien, sondern zum Beispiel auch für Erdbeben. Für bestimmte Katastrophenszenarien ist nicht einmal gewährleistet, dass die Behörden selbst einsatzfähig bleiben. Notfallkrankenhäuser, Medikamentenlager und ehrenamtliche Helfer wurden schrittweise abgebaut bzw. entlassen, seit es die latente Bedrohung durch die Sowjetunion nicht mehr gibt. Die Bundesanstalt für Zivilschutz, die unter anderem auch für die Schulung der Bevölkerung zuständig ist, wurde abgeschafft. Ebenso wurden diese Krisenszenarien nicht bedacht, als man die Anzahl der Krankenhäuser in Deutschland immer weiter reduziert hat. Für diese Versäumnisse kann man die aktuell regierenden Parteien durchaus verantwortlich machen. Die Regierungen seit der Wende waren entweder Unions- oder SPD-geführt, und Frau Merkel regiert nun schon über 15 Jahre. Diese Programme des Bevölkerungsschutzes hatten keine ausreichende Priorität und die mahnenden Stimmen von Experten stießen nur auf taube Ohren.

Fehlende Impflogistik

Teilweise musste schon Impfstoff aufgrund mangelhafter Organisation und Unsicherheiten bei der Verwendbarkeit entsorgt werden. Selbst ausreichend vorhandener Impfstoff nützt nichts, wenn die Logistik und Organisation hierzulande es nicht hergibt, dass genügend Menschen pro Tag geimpft werden können.

Insbesondere ältere Menschen, die im Impfplan an vorderster Stelle stehen, sind mit der Terminvergabe überfordert. Über die entsprechenden Hotlines erreicht man über Stunden und Tage oft niemanden. Nicht alle Senioren sind geübt genug im Umgang mit dem Internet, um sich dort selbst einen Termin zu buchen. Die überlasteten Server erleichtern es ihnen nicht. Manche älteren Menschen kümmern sich gar nicht um einen Termin, weil sie davon ausgehen, dass sich jemand bei ihnen meldet, wenn sie mit dem Impfen an der Reihe sind.

Spätestens im Herbst hätte man auf freiwilliger Basis eine Datenbank aufbauen können, in der sich Menschen aus Risikogruppen, die sich grundsätzlich gerne impfen lassen würden, hätten eintragen können. An diese Gruppe hätten dann bequem Impftermine vergeben werden können, ohne dass sich die zu Impfenden selbst darum hätten kümmern müssen. Für die entsprechend kleinere Gruppe, die sich zusätzlich spontan um Impftermine bemüht hätte, hätte die Infrastruktur aus Hotlines und Servern dann ausgereicht.

Sogar die Versäumnisse aus dem unzureichenden Katastrophenschutz hätte man zum Teil an dieser Stelle wieder aufholen können, jedoch wurde dieses Zeitfenster im Sommer und Frühherbst komplett ungenutzt gelassen.

Fehlende Auszahlung der Corona-Hilfen

Auch bei der Auszahlung der Corona-Hilfen hat sich die Bundesregierung nicht mit Ruhm bekleckert. Schon bei der Antragsstellung kam es wiederholt zu Problemen und Verzögerungen, weil die Infrastruktur nicht ausreichend vorbereitet war. Die Auszahlung verzögerte sich ebenso.
 
Zusätzlich wurden einige Kriterien für Hilfszahlungen im Nachhinein geändert. Die Hilfen, die sich ursprünglich lediglich am eingebüßten Umsatz orientieren sollten, haben nun auch „nicht gedeckte Fixkosten“, also Verluste, als Bedingung. Dies betrifft sowohl die Überbrückungshilfe II als auch die Novemberhilfen.
 
Für Unternehmen war es ohnehin schwer genug, sich an die Pandemiesituation, die Schutzmaßnahmen und letztlich die Schließungen anzupassen. Die eigenen Zusagen für Hilfszahlungen einzuhalten und diese zeitnah durchzuführen, wäre von Regierungsseite das Mindeste gewesen, um wenigstens ein wenig Planungssicherheit zu ermöglichen.

Fazit

Das Versagen ist riesig und hat nun weitreichende Folgen. Die Regierung ist ihrem Auftrag, die Bürger dieses Land gut durch die Krise zu führen, in der zweiten Welle keinesfalls gerecht geworden. Der Preis ist in jeder Hinsicht hoch, und wir müssen ihn bezahlen.

Wie geht es (zukünftig) besser?

Letztlich fordern wir ganz klar, dass genau diese beschriebenen Missstände so schnell es geht behoben werden. Die nächste Pandemie kommt bestimmt, und die Mutationen werden das Debakel leider noch beschleunigen.

Was fordern wir konkret?

  • Effiziente Strukturen der Impflogistik
  • Erhöhung der Pharma-Produktionskapazitäten in Europa
  • Deutliche Steigerung der Pandemie- und Katastrophenvorsorge
  • Abschaffung des Föderalismus bei Krisenbewältigungsmaßnahmen
  • Zügiger Breitbandausbau
  • Digitalisierung der Behörden und Ermöglichung von durchgängigem Homeoffice auch für Mitarbeiter im Öffentlichen Dienst
  • Förderung von Digitalisierung und Automatisierung auch in der freien Wirtschaft

Für diese Maßnahmen ist es nie zu spät. Wir appellieren an die Verantwortlichen, Deutschland und Europa für diese und weitere Katastrophen besser vorzubereiten und konsequenter zu handeln. Deutschland hat vielfach den Anschluss verloren und ist auf Katastrophen schlecht vorbereitet. Die Regierungen der letzten zwei Jahrzehnte haben unsere Zukunft verzockt.


Unsere Haltung in diesem Text zum Katastrophenschutz beruht unter anderem auf https://www.wiwo.de/technologie/forschung/katastrophenfall-analyse-es-fehlt-an-konzepten-personal-und-material/26681130-2.html sowie https://www.wiwo.de/technologie/forschung/corona-bekaempfung-es-geht-staendig-zu-holprig-seit-monaten/26840158.html