In der Coronakrise erweist sich einmal mehr: Es lohnt sich, auf die Wissenschaft zu hören! Darüber hinaus zeigt sich, dass halbherzige Maßnahmen die Verbreitung des Virus nicht gut genug eindämmen.
Wir fordern daher, dass der Lockdown schnellstmöglich und sinnvoll verschärft wird.
Nicht, weil wir gerne Verbote und Vorschriften machen. Sondern ganz im Gegenteil, weil wir gerne unsere Freiheiten wiederhaben möchten. Das ist kurzfristig die beste Vorgehensweise. Auf lange Sicht hilft natürlich nur: Impfen!
Wo stehen wir?
Aber fassen wir zunächst die Situation zusammen:
Nach mehr als zwei Monaten Lockdown Light ist die tägliche Anzahl der Neuinfektionen weiterhin deutlich zu hoch und hat nur kleine Anzeichen einer Abnahme gezeigt. Die Zahl der Todesopfer ist stark angestiegen, ca. 5000 Menschen liegen mit COVID auf den Intensivstationen, die teilweise an ihre Belastungsgrenzen kommen. In kaum einem anderen Land bewegt sich die Kurve derart konstant über einen längeren Zeitraum auf hohem Niveau. Die Maßnahmen haben zwar eine totale Katastrophe verhindert, aber sie reichen schlichtweg nicht aus.
Gleichzeitig bereitet die noch ansteckendere Mutation B.1.1.7, die hauptsächlich in Großbritannien und Irland auftritt, Sorgen. Vom 20. Dezember an hat sich die Zahl der Neuinfektionen in Irland in nur drei Wochen mehr als verzehnfacht. Auch in Deutschland wurde die Variante bereits nachgewiesen. Da die Proben in Deutschland nur selten auf mögliche Mutationen untersucht werden, ist das Ausmaß der Verbreitung ungewiss.
Die zugelassenen Impfstoffe bringen Hoffnung. Doch selbst wenn die Impfstoffproduktion und der Impfvorgang beschleunigt werden, wird es noch lange dauern, bis die Impfimmunität merkbar Einfluss auf das Infektionsgeschehen nimmt.
Wo wollen wir hin?
Die Wissenschaft macht eine klare Zielvorgabe. Bereits Mitte Dezember forderten Hunderte europäische Wissenschaftler – darunter Viola Priesemann, Melanie Brinkmann, Sandra Ciesek, Christian Drosten und Hendrik Streeck – in einem offenen Statement strenge politische Maßnahmen bis zur Unterschreitung einer Zielinzidenz von 10 (Neuinfektionen pro Woche pro hunderttausend Einwohner) [1]. Inzwischen haben beinahe eintausend Forscher unterschrieben.
Das einzig zur Zeit wirksame Mittel zur Pandemiebekämpfung bleibt das Verhindern von Neuinfektionen. Dies reduziert die Anzahl an Todesfällen und Patienten mit Langzeitfolgen. Niedrigere Infektionszahlen entlasten die Krankenhäuser und Intensivstationen, so dass sich auch für nicht an COVID-19 erkrankte Patienten die Versorgung verbessert. Niedrige Infektionszahlen entlasten die Gesundheitsämter, so dass Kontaktverfolgung wieder möglich wird und Testungen sowie Quarantänemaßnahmen zielgerichtet und rechtzeitig erfolgen können. Niedrigere Infektionszahlen führen letztlich auch zu geringeren wirtschaftlichen Kosten. Die Inkaufnahme von Infektionen, um vermeintlich die Wirtschaft zu schonen, ist nicht nur moralisch verwerflich. Letztlich führt sie durch zeitlich verzögerte Lockdowns, die dann noch länger und härter ausfallen, zu noch größeren ökonomischen Schäden.
Was muss passieren?
Die Politik muss jetzt einen klaren Fahrplan zur Reduzierung der Infektionszahlen entwickeln.
Die Wissenschaft ist sich insbesondere darin einig, dass Schulen für das Infektionsgeschehen eine wichtige Rolle spielen. Schüler stecken sich nicht nur in den Schulen an, sondern auch auf den Schulwegen in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln.
So schwierig der Distanzunterricht für Schüler, Eltern und Familien auch ist:
Präsenzunterricht in der jetzigen Situation ist fahrlässig. Lehrern und Schülern ist nicht damit geholfen, wenn Politiker im Wochentakt neue Hoffnung auf Präsenzunterricht wecken, die dann wieder enttäuscht wird. Lehrer und Schüler brauchen Planungssicherheit, um sich auf die anstehende Zeit mit digitalem Unterricht einstellen zu können. Das Versäumnis der Kultusminister, finanzielle Mittel und Konzepte für den Digitalunterricht bereitzustellen, macht es ihnen schwer genug.
Auch die Wirtschaft muss stärker als bisher zur Kontaktreduzierung beitragen. Während im Privaten strenge Regeln gelten, wird teilweise noch gemeinsam in Büros gearbeitet. Wann immer möglich, sollten Unternehmen zur Anwendung von Homeoffice-Modellen verpflichtet werden. Natürlich gilt das Gleiche für Behörden, wie beispielsweise in Berlin, wo noch immer in Büros zusammengearbeitet wird [2].
Sogenannte Face Shields, die nicht vor Ansteckung durch Aerosole schützen, sollten bundesweit nicht mehr als Ersatz zum Mund-Nasen-Schutz zugelassen sein. FFP2-Masken müssen der Standard werden, wobei diese unbedingt für finanziell schlechter gestellte Bevölkerungsgruppen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssen.
Die Maßnahmen müssen strikt durchgeführt werden bis zu einer Inzidenz unter 10. Bei diesem niedrigen Niveau wäre die Nachverfolgung von Infektionen wieder möglich.
Die Politik der kleinen Schritte, mit der die Entscheidungsträger in Bund und Ländern den Lockdown Light in die Länge ziehen und die Bevölkerung zermürben, muss ein Ende haben. Erschwerend hinzu kommen die zahlreichen regional unterschiedlichen Regelungen, die stark zur Verwirrung beitragen und das Vertrauen der Bürger reduzieren. Auch jetzt noch werden Schulöffnungen diskutiert und teilweise sogar tatsächlich umgesetzt.
Spätestens nun ist es an der Zeit, konsequent die Forderungen der Wissenschaft umzusetzen und die Neuinfektionen zu senken, bevor die Virusvariante B.1.1.7 auch Deutschland voll trifft. Die Regelungen müssen klar und verständlich kommuniziert und die Einhaltung konsequent kontrolliert werden.
Diese Maßnahmen werden die Infektionsverbreitung am wirkungsvollsten eindämmen und auf diese Weise den Weg zurück aus dem Lockdown beschleunigen.
Und wir können es nicht oft genug betonen: Auch jeder Einzelne von uns trägt weiterhin eine Verantwortung für das Überwinden dieser Krise. Das Einhalten der Regeln fällt uns allen nicht leicht, aber es ist essentiell für den Erfolg. Jeder unnötige Kontakt sollte vermieden und die sonstigen Abstands- und Schutzmaßnahmen beachtet werden. Das Virus hat nur eine Chance, wenn wir Fehler machen.
In einem Folgebeitrag werden wir darauf eingehen, was sich in Deutschland mittel- und langfristig ändern muss, damit wir mit dieser und weiteren Pandemien besser umgehen werden. Ein kleiner Spoiler vorweg: Impfen ist Humanismus!
Unsere Quellen: