Disclaimer: Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Impuls. Impulse sind für uns Überlegungen, die noch keine offizielle Parteiposition sind. Derzeit beschäftigt sich unsere AG Arbeit und Soziales mit diesem Thema. Lest hier ihre Gedanken:
Obdachlosigkeit ist in Deutschland ein weit verbreitetes Problem, und das nicht nur an den Weihnachtsfeiertagen und der Zeit zwischen den Jahren, sondern jederzeit. Die Coronakrise, in der generell dazu aufgerufen wird, die eigene Wohnung nicht unnötig zu verlassen, verdeutlicht diese unmenschlichen Zustände jedoch zusätzlich.
Viele Menschen, auch in Deutschland, haben jedoch keinen Ort, den sie Zuhause nennen können. Egal, ob freiwillig oder unfreiwillig, Obdachlosigkeit ist auch in Deutschland ein seit langem bestehendes Problem und könnte sich sogar noch verschärfen [1]. Üblicherweise wird dieser sozialen Schieflage mit einem Sammelsurium an sozialen und regulativen Maßnahmen begegnet – meist mit nur mäßigem Erfolg.
Wir arbeiten an einem Positionspapier zu diesem wichtigen Thema und untersuchen dabei gerade das Konzept des „Housing First“.Diese Methode entwickelte sich in den späten 1980er Jahren. Das Ziel ist es, Obdachlosigkeit nachhaltig und erfolgreich zu bekämpfen. Mit dem Prinzip „Housing First“ werden v.a. Obdachlose mit starkem Betreuungsbedarf, beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Probleme, angesprochen. Ihnen wird als erste Maßnahme eine kleine dauerhafte Wohnung zur Verfügung gestellt, begleitet von verschiedenen Betreuungsmaßnahmen. Beginnt die Reintegration Obdachloser in die Gesellschaft mit einem derart festen Ankerpunkt wie der eigenen Wohnung, so zeigt sich in vielen Versuchen weltweit (u.a. auch mit verschiedenen Pilotprojekten der EU), dass sich Menschen so nachhaltig von der Straße holen lassen. So hatten sie die Perspektive, auch wieder ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft zu werden [2] [3]. Die ehemals Obdachlosen konnten somit wieder beginnen, selbst über ihr Leben zu entscheiden. Es hat sich sogar gezeigt, dass sich mit „Housing First“ langfristig Kosten für die Kommunen sparen lassen [4].
In vielen Ländern, wie Finnland und Portugal , aber auch in ersten Versuchen in Berlin und Brandenburg, gab es nachweisbare Erfolge. „Housing First“ könnte eine Methode sein, einen (großen) Teil der Menschen von der Straße zu holen und ihnen ihre soziale Selbstbestimmung zurückzugeben.
Die Vorarbeit unserer Arbeitsgruppe werden wir bald intern zur Abstimmung stellen.
Um vielleicht zusätzlichen wertvollen Input und Feedback zubekommen, möchten wir euch fragen: Was haltet ihr von dieser Herangehensweise?
- T. Reuter, “Bald könnte es 1,2 Millionen Menschen ohne Wohnung geben”, Zeit Online, 2019.
- Busch-Geertsema, Volker. „The potential of housing first from a European perspective“. European Journal of Homelessness, Volume 6.2 (2012).
- N. Pleace, „Housing First Guide Europe,“ 2016.
- Gaetz, Stephen, Fiona Scott, and Tanya Gulliver. Housing First in Canada: Supporting communities to end homelessness. Canada Homelessness Research Network, 2013.