„Wer dich veranlassen kann, Absurditäten zu glauben, der kann dich auch veranlassen, Verbrechen zu begehen.“ Dieser Satz von Voltaire bewahrheitet sich jetzt gerade wieder. Die ägyptische TV-Moderatorin Hala Samir erörterte am 16. Juni in einem türkischen Fernsehsender, auf welche Art Homosexuelle ermordet werden sollten. Die Gelehrten seien sich einig, dass auf Homosexualität die Todesstrafe stehe, Streit gäbe es lediglich über die Methode: lebendig verbrennen, von hohen Gebäuden stoßen oder steinigen? Auch lesbische Handlungen seien zu bestrafen, erklärte Samir.
Der Beitrag wurde in die gesamte arabische Welt ausgestrahlt und leistet sicherlich einer weiteren Ächtung der Homosexualität in muslimisch geprägten Staaten Vorschub.
Religiös geprägte Homophobie — ein weltweites Problem
Islam-„Gelehrte“ streiten darüber, ob solche menschenfeindlichen Aussagen tatsächlich im Koran stehen und wie sie interpretiert und verharmlost werden könnten. Tatsache ist aber, dass Schwule und Lesben in Ägypten, wie in den meisten islamisch geprägten Ländern, vom Staat verfolgt werden. In acht Ländern (Brunei, Iran, Nigeria, Mauretanien, Sudan, Jemen, Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate) droht ihnen die Todesstrafe.
Im angeblich toleranten Indonesien mit über 190 Millionen Muslimen wurde vor kurzem von mehreren Abgeordneten ein Gesetzentwurf eingebracht, dem zufolge Familien, die „aufgrund sexueller Abweichungen unter Krisen leiden“, ihre Angehörigen den Behörden melden müssen, damit sie „spirituelle Anleitung“ (d. h. Konversionstherapie) erhalten. „Individualismus, Säkularismus, lesbischer und schwuler Sex“ wird als „Bedrohung“ der Familie angesehen. Auch die Überwachung der „Erfüllung religiöser Normen“ ist vorgesehen. In keinem islamisch geprägten Land werden homosexuelle Beziehungen staatlich anerkannt.
Homophobie: Teil zu vieler Religionen
Allerdings ist es nicht der Islam allein – alle abrahamitischen Religionen haben Probleme mit gleichgeschlechtlicher Sexualität. Im Talmud wird jeder Geschlechtsverkehr außerhalb der heterosexuellen Ehe, einschließlich Masturbation, absolut als Sünde angesehen.
Auch in der Bibel wird zum Mord aufgerufen. Im Alten Testament heißt es:
„Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Gräuel ist, und sollen beide des Todes sterben.“ (Lev 20,13 EU)
„Wenn ein Mann mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt, haben sich beide auf abscheuliche Weise vergangen. Sie müssen getötet werden.“ (3. Mose 20, 13 EU)
Im Christentum hat sich das Ideal durchgesetzt, dass Sexualität ausschließlich der Fortpflanzung zu dienen habe. Seit 326 unter Konstantin dem Großen religiöse Denkweisen Einzug in Gesetzesvorschriften fanden, war Homosexualität strafbar, ab 390 stand darauf die Todesstrafe. Erst seit 1994 ist sie in Deutschland nicht mehr strafbar.
Homophobie hat ihre Wurzel vor allem in der Religion. Sowohl die Bibel als auch der Koran enthalten klare Regeln gegen Homosexualität und religiöse Autoritäten sehen gleichgeschlechtliche Liebe als „widernatürlich“ an. Im Allgemeinen haben religiöse Menschen eher Vorbehalte gegenüber gleichgeschlechtlicher Sexualität als religiös Gleichgültige und je enger Gläubige sich an ihre Religion gebunden fühlen, desto entschiedener lehnen sie Homosexualität ab. So kam eine Studie zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in Deutschland 2012 zu dem Ergebnis, dass mit zunehmender Religiosität auch die Homosexuellenfeindlichkeit zunimmt. Befragte ohne Religionszugehörigkeit neigten signifikant weniger zu homophoben Einstellungen als Protestanten oder Katholiken. Je religiöser sich die Befragten selbst einschätzten, desto homo-feindlicher waren sie.
Auch der allseits so beliebte Dalai Lama sieht darin eine Form sexuellen Fehlverhaltens.
Die Welt scheint so einfach, wie der Irrglaube sie macht
Im Lauf der Jahrhunderte wurden Homosexuelle immer wieder für diverse Katastrophen verantwortlich gemacht. Noch 2005 sah ein katholischer Pfarrer (der fast Weihbischof von Linz geworden wäre) in seinem Pfarrbrief die „geistige Umweltverschmutzung“ durch Homosexualität als Ursache für den Hurrikan Katrina an. 2008 verkündete Shlomo Benizri, Abgeordneter der Schas-Partei in der Knesset und ehemaliger Sozialminister, nach einem Erdbeben, dass weitere Erdbeben nur dadurch zu verhindern seien, dass Schwulen und Lesben weniger Rechte eingeräumt würden.
Als 2016 ein schweres Erdbeben Neuseeland erschütterte, machte Bischof Brian Tamaki in einer Predigt die „Sünder“ der LGBT-Community dafür verantwortlich.
Staatliche Homophobie auch hier und heute
Doch wir müssen nicht in die Vergangenheit oder die Ferne blicken. Wie verheerend die Folie à deux von Staat und Religion sich auswirken kann, zeigt sich gerade in Polen. Die Rhetorik der katholischen Kirche gegen LGBTI wird immer aggressiver und mehr als 100 Lokalregierungen haben sich zu LGBT-freien Zonen erklärt. Damit gelten in fast einem Drittel Polens homosexuelle, bisexuelle oder transsexuelle Menschen als offiziell unerwünscht. Die Aggression gegen sie nimmt auch in anderen Ländern zu.
Die Menschheit hat sich selbst Gesetze geschaffen und eine Ethik gegeben, die die Schwächeren schützt. Wer Minderheiten aus religiösen Gründen verfolgt, fällt zurück in finsterste Barbarei.
In der Natur gibt es nichts Widernatürliches, ebenso wenig, wie es Übernatürliches gibt. Religionsfreiheit ist wichtig, darf aber keine Narrenfreiheit sein. Nur ein säkularer Staat kann das garantieren.