Wir wollen das BGE – auf stabilem Fundament
Die aktuelle Krise hat dazu geführt, dass die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE), die wir selbst im Kern befürworten, eine förmliche Renaissance erlebt und einmal mehr vielfach diskutiert wird. Eine Bundestagspetition für ein Corona-BGE ist weit über den notwendigen 50.000 Unterschriften, um in den Ausschuss zu kommen. Eine andere hat bereits grob eine halbe Million Unterschriften erhalten.
Der Impuls ist nachvollziehbar. Wäre das BGE bereits eingeführt, wäre es sicherlich für viele auch in dieser Krise hilfreich gewesen. Doch kann das BGE, wie von diesen Initiativen beschworen, als schnelles Mittel gegen die aktuelle Krise dienen?
Ausgerechnet jetzt, wo finanzielle Mittel knapp sind und durch hohe Neuverschuldung angehoben werden, birgt eine schnelle Einführung des BGE große Risiken, die am Ende auch der Idee an sich schaden könnten.
Kurzfristig halten wir darum direkte Hilfen für tatsächlich Betroffene für die sinnvollere Lösung, denn für die Einführung eines BGE sind viele grundlegende Fragen zu klären, die auch eine gesellschaftliche Debatte benötigen, um Akzeptanz und Umsetzbarkeit zu gewährleisten.
Die Zukunft heißt Grundeinkommen
Bei aller Kritik an einer verfrühten Einführung sehen wir doch eine Zukunft mit dem BGE, solange uns saubere Tests nicht vom Gegenteil überzeugen. Denn Automatisierung und Digitalisierung werden weitere klassische Erwerbsarbeiten verdrängen.
In der Zukunft werden noch mehr Maschinen und Algorithmen für uns arbeiten und vermehrt Produkte generieren und Dienstleistungen übernehmen oder unterstützen. In so einer Welt können wir diese Leistungen in immer größeren Ausmaß frei verfügbar machen. Dies geschieht indirekt über ein Grundeinkommen, so dass die Menschen nach wie vor selbstbestimmt darüber entscheiden, was sie konsumieren möchten. Daher sind wir klar für technologische Fortschritte am Arbeitsmarkt und in der Produktion.
Lösungen für das 21. Jahrhundert
Das BGE bietet in vielerlei Hinsicht Lösungen für die Welt des 21. Jahrhunderts.
- Ein BGE bekämpft Armut und damit eine Hauptursache von Angst, Krankheit, Kriminalität und weiteren negativen Auswirkungen, die letztendlich für die Gesellschaft teurer sind als die Finanzierung des BGE.
- Menschen, die frei von Existenzängsten sind, können sich stärker selbst verwirklichen und haben absehbar mehr Raum, um sich konstruktiv in der Gesellschaft einzubringen.
- Anreize für ein würdiges Lebens werden gefördert – anders als bei derzeitigen Sozialhilfen. Ersparnisse müssen nicht aufgebraucht werden, der Wohnort darf frei im Land gewählt werden und Hilfe von Angehörigen, Freunden oder dem Partner darf angenommen werden, ohne drastische Kürzungen befürchten zu müssen. Auch das selbstbestimmte Annehmen oder Ablehnen von Erwerbsarbeit gehört dazu.
- Automatisierung, ein wesentlicher Treiber des Wohlstands, kann mehr Akzeptanz erfahren, da der daraus resultierende Abbau von Arbeitsplätzen nicht die Existenz der Arbeitnehmer gefährdet, sondern als neue Chance wahrgenommen werden kann.
Wie wir das BGE finanzieren
Für die Finanzierung eines Grundeinkommens gibt es zwei Richtungen:
- Geld kann zwar einfach gedruckt werden, doch die Werte (Güter, Dienstleistungen) dahinter werden dadurch nicht mehr.
- Geld, das als BGE verteilt wird, verschwindet nicht, sondern fließt wieder zurück in die Wirtschaft.
Ein BGE kann also nur eine Form der Umverteilung sein. Doch dabei verbindet es ein dichtes soziales Netz mit weniger staatlichen Eingriffen als in unserem bisherigen System. So bietet es einen eleganten Weg aus der Dichotomie Sozialstaat versus freie Marktwirtschaft.
Ein vielversprechender Ansatz, den wir dabei bislang verfolgt haben, ist die sogenannte negative Einkommenssteuer. Diese können wir durch angepasste Steuersätze so gestalten, dass von diesem BGE tatsächlich nur diejenigen profitieren, die es benötigen. Auch viele weitere der eingangs aufgeworfenen Fragen können wir damit beantworten. Für die Umstellung des Steuersystems ist allerdings eine Übergangszeit von mehr als einem Jahr notwendig. Es bleibt also das Problem, dass eine kurzfristige Einführung kaum möglich ist.
Unsere aktuelle Position ist daher unverändert, dass wir das BGE erst besser erproben wollen. Dies ist nicht auf die negative Einkommenssteuer beschränkt, wir sind hier offen für weitere Ansätze.
Hilfe in Corona-Zeiten
Eine der aktuellen Petitionen, die vielfach geteilt wurde, sieht ein BGE für temporär sechs Monate vor. Sie fordert eine Summe zwischen 800 bis 1200 Euro im Monat für jede in Deutschland lebende Person.
Doch warum sollten Staat und Gesellschaft nun auch Menschen in Branchen, die gar nicht oder nur wenig von der Krise betroffen sind, mit solche einem „Krisen-BGE“ unterstützen? Auch das BGE, wie wir es uns vorstellen und wie es vermutlich am ehesten von der Gesellschaft mitgetragen wird, ist eine bedarfsorientierte Grundsicherung. Ähnlich spezifisch geht die Regierung vor: Sie verteilt Hilfszahlungen und -kredite an diejenigen, die sie benötigen: Selbstständige, Unternehmen in Schieflage, Künstler und Kreative. Des Weiteren können die Mietzahlungen mehrere Monate verweigert werden, falls dies nachweislich nicht erbracht werden können.
Dabei gibt es natürlich noch Probleme. Leider bleiben einige Betroffene bisher ohne jegliche staatliche Hilfe und umgekehrt gab es bereits Missbrauchsfälle. Trotzdem ist der Ansatz näher am Problem und mit den derzeitigen Mitteln besser umsetzbar als ein kurzfristiges Grundeinkommen, selbst wenn es zeitlich beschränkt ist. Entsprechend werden die Petitionsforderung sehr sicher derzeit nicht umgesetzt, auch wenn sie im Bundestag diskutiert werden.
Heute Geduld. Morgen Grundeinkommen
Und ein Quickfix, der in dieser besonderen Situation auf keinen Fall als Test für eine „echte“ Einführung funktionieren kann und recht sicher schnellstmöglich zurückgerollt würde, wäre nicht nachhaltig, Im Gegenteil: Es könnte sogar schädlich für das Grundeinkommen sein. Das ist nicht in unserem Interesse als Gesellschaft und als Partei. Denn es ist eben ein nachhaltiges, dauerhaftes Konzept für ein Grundeinkommen, auf das wir hinarbeiten.
Darum, bei aller prinzipieller Freude über die vielen aufflammenden BGE-Initiativen, plädieren wir auch bei diesem Thema für Geduld. Lasst uns die Krise wohl geordnet hinter uns bringen und dann die aktuelle Diskussion nachhaltiger weiterführen. Davon profitieren wir als Gesellschaft langfristig mehr.