Klares Ziel: Durch Impfen Krankheiten ausrotten

Zum 1. März 2020 ist die Masernimpfpflicht in Deutschland in Kraft getreten. Damit sind alle Eltern verpflichtet, ihre Kinder gegen MMR (Masern-Mumps-Röteln) impfen zu lassen. Und das aus gutem Grund: Die WHO hat gemeinsam mit den meisten Europäischen Nationen im Europäischen Impfaktionsplan (2015-2020) die Elimination der Masern und Röteln in diesem Jahr als zentrale Zielsetzung ausgerufen. Wir begrüßen die Entscheidung des Gesetzgebers sehr, möchten aber noch weiter gehen. Wir fordern weitere Pflichtimpfungen mit dem Ziel, alle Krankheiten zu beseitigen, gegen die es einen Impfstoff gibt.

Impfen: eine der größten Errungenschaften der Medizin

Impfungen haben nachweislich zu einer höheren Lebenserwartung und einer verbesserten Lebensqualität im 20. Jahrhundert beigetragen. Nach Schätzung der WHO retten sie weltweit ca. 3 Millionen Menschen jährlich das Leben. So reduzierten sich zum Beispiel die durch Tetanus bedingten Todesfälle von 1990 bis 2017 um 87,9%. Nicht nur deswegen gelten Impfstoffe als eine der größten Errungenschaften der Medizin.

Auch wenn das Prinzip bereits lange vorher bekannt war (in großen Teilen Asiens), gelangte es 1769 durch den englische Arzt Edward Jenner in den Fokus der breiten Öffentlichkeit . Dabei handelte es sich um einen Impfstoff gegen das Variola-Virus, das Pocken (auch Blattern genannt) verursacht. Er konnte an einem 8-jährigen Jungen die Wirksamkeit eines Impfstoffes nachweisen. Auf Basis seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse konnten weitere Impfstoffe gegen Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Polio oder Tollwut entwickelt werden. Der Erfolg ist deutlich: In einer beispielhaften Kampagne haben alle Nationen der Welt in Zusammenarbeit mit der WHO von 1967-1979 die Pocken global ausrotten können. Auch das Poliovirus kommt dank Schutzimpfungen in Europa bereits nicht mehr vor.

Das Masernvirus könnte rein theoretisch bereits ausgerottet sein. Schon 2011 verkündete die WHO das Ziel, die Masern bis 2015 zu eliminieren. Das wurde leider nicht erreicht. Dass Impfstoffe wirksam sind und damit Leben retten, ist wissenschaftlich erwiesen und nicht das Problem. 2002 gab es 4.656 gemeldete Masernfälle in Deutschland, 2019 nur noch 514. Wir stehen also kurz vor der Ausrottung der Masern. Trotzdem wird das Ziel seit Jahren verfehlt. Auch an anderen vermeidbaren Erkrankungen sterben weltweit jedes Jahr ca. 1,4 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Berücksichtigt man auch Erwachsene in der Schätzung, belaufen sich die vermeidbaren Todesfälle auf etwa drei Millionen jährlich. Woran liegt das? 

Entscheidend: Herdenschutz

Leider gibt es einen kleinen Anteil der Bevölkerung, der Impfungen für sich und seine Kinder ablehnt. Andere sind nicht strikt dagegen, kümmern sich aber nicht oder nicht ausreichend um die Immunisierung. Das hat gravierende Konsequenzen. Um eine Krankheit zu eliminieren, muss ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung immunisiert, sprich geimpft werden. Ist dieser Prozentsatz erreicht, kann sich der Erreger nicht mehr ausreichend in der Bevölkerung ausbreiten, um weiter zu existieren. Man spricht hier von der sogenannten Herdenimmunität.

Im Falle der Masern müssen ca. 95% der Bevölkerung in Deutschland gegen das Virus geimpft sein, damit es sich nicht mehr verbreiten kann. Außerdem stellt diese Herdenimmunität sicher, dass Menschen, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen können – Menschen mit Erkrankungen des Immunsystems, Allergien oder Neugeborene – vor einem Erreger geschützt sind. Somit stellt die Impfung auch eine gesellschaftliche Pflicht dar, denn wer sich und seine Kinder schützt, schützt damit auch andere Menschen.

Auch Impfgegner rechtfertigen ihre Weigerung gerne mit der Herdenimmunität; alle anderen sind ja geimpft, was machen sie da für einen Unterschied. Der Unterschied ist: Gibt es genug, die so denken und ohne guten Grund trittbrettfahren, gibt es eben keine Herdenimmunität. Ein paar wenige verhindern so die Ausrottung einer Krankheit. Mehr noch: Sie schaffen ein Risiko für alle Risikogruppen; für alle, die nicht geimpft werden können oder noch nicht wurden; und alle, bei denen eine Impfung ihren Effekt nicht entfaltet.

Und auch das eigene Kind kann nicht immer von der Herde geschützt werden, denn der individuelle Schutz vor Erregern wie Tetanus kann nicht durch Immunisierung anderer erreicht werden, da es sich bei diesen Krankheiten nicht um ansteckende Infektionen handelt. 

Aufklärung allein reicht nicht

Trotz verschiedener Aufklärungskampagnen halten sich bei Impfgegnern hartnäckig Mythen und Lügen über Impfstoffe. Das mitunter bekannteste Argument gegen das Impfen dürfte die bereits seit langem widerlegte Behauptung sein, Impfungen würden Autismus auslösen. Der für diese zurückgezogene “Studie” zuständige Arzt, Andrew Wakefield, forschte im Auftrag mehrerer Anwälte nach einem Zusammenhang zwischen Autismus und Impfungen. Die Eltern von an Autismus erkrankten Kindern bezahlten ihn dafür, um so die Hersteller des Impfstoffes verklagen zu können. Weder war diese Studie repräsentativ, noch wissenschaftlich fundiert. Aus diesem Grund verlor er 2010 seine Zulassung, zudem distanzierten sich sämtliche Co-Autoren von der Studie. Es gibt noch viele andere Vorbehalte gegen Impfstoffe, die aber fast alle widerlegbar sind. Das Robert Koch-Institut sowie das Paul-Ehrlich-Institut, die beiden maßgeblichen deutschen Institutionen zum Infektionsschutz, haben ein FAQ zu den vermeintlichen Argumenten gegen Impfungen veröffentlicht. 

Nach der Bekanntgabe der neu eingeführten Impfpflicht haben prompt einige Eltern Klage gegen diese Maßnahme eingereicht. Das Argument: Sie sehen das Recht ihrer Kinder auf körperliche Unversehrtheit verletzt.

Wie sieht die rechtliche Lage aus? Es gibt in Deutschland bereits einen Präzedenzfall. Das Bundesverwaltungsgericht setzte sich am 14. Juli 1959 über die Vereinbarkeit einer Impfpflicht (damals gegen die Pocken) mit dem Grundgesetz auseinander. Es entschied, dass bei besonders ansteckenden Krankheiten das Recht auf körperliche Unversehrtheit nachrangig ist. Der Schutz der Allgemeinheit vor Seuchengefahren steht über dem Grundrecht des Einzelnen. Zur Erinnerung: Die weltweite Ausrottung der Pocken hätte ohne eine Impfpflicht kaum erreicht werden können. 

Die Masern-Impflicht ist nur der Anfang

Wir begrüßen die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten einer Impfpflicht sehr. Wir fordern jedoch eine Pflichtimpfung aller der von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts empfohlenen Schutzimpfungen. Denn Studien haben gezeigt, dass bei einer teilweisen Impfpflicht die Impfbereitschaft allgemein sinkt, was zu einem Rückgang der Impfungen bei anderen Krankheiten führt. Das Ziel muss die Beseitigung aller Krankheiten sein, gegen die es einen Impfstoff gibt, unabhängig von deren Häufigkeit. In der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts zur Qualität und Sicherheit von Impfstoffen heißt es: “Sichere und wirksame Impfstoffe dienen […] nicht nur dem dem Schutz des Einzelnen, sondern leisten einen Beitrag zum solidarischen Gesundheitsschutz in der ganzen Welt. Infektionserreger kennen keine Grenzen.”

Unseren Standpunkt und weitere Forderungen zum Thema findet ihr hier in unserem Positionspapier Gesundheit.