Es ist ein großer Schritt in Richtung Selbstbestimmung: Gestern, am 26.06.2020, hat das Bundesverfassungsgericht den seit 2015 geltenden § 217 StGB, der den ärztlich begleiteten Suizid unmöglich gemacht hatte, gekippt. Er verstößt gegen das Grundgesetz.
Das Urteil geht sogar so weit zu sagen, dass Sterbehilfe nicht vom Vorliegen einer unheilbaren Krankheit abhängig gemacht werden darf und macht damit der unerträglichen Bevormundung mündiger Bürger ein Ende. „Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben besteht in jeder Lebensphase“ (Gerichtspräsident Voßkuhle).
Mit dem Urteil ist nun hoffentlich endgültig sichergestellt, dass Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nicht weiterhin die Ausnahmeregelung unterläuft, die seit März 2007 erlaubt, dass „in extremen Notlagen“ ein todbringendes Mittel zur Verfügung gestellt werden darf. Er hatte das zuständige Bundesinstitut angewiesen, alle Anträge abzulehnen.
Als liberale Partei, für die Selbstbestimmung ein essenzieller Grundwert ist, begrüßen wir dieses Urteil, können aber auch die Skepsis einiger Kritiker in Teilen nachvollziehen.
So äußerte der Diakonie-Präsident Ulrich Lilie, das Karlsruher Urteil könne eine Dynamik mit nicht abschätzbaren Folgen in Gang setzen. Die Beihilfe zum Suizid dürfe angesichts des finanziellen Drucks im Gesundheitssektor nicht die billige Alternative zu „einer aufwändigen Sterbebegleitung“ werden.
Ähnliche Kritik kommt von der Deutschen Palliativ-Stiftung. Es wird befürchtet, Sterbehilfe könne zur bloßen Dienstleistung werden und eine Angebot-Nachfrage Mentalität entstehen.. . Deshalb werde die Palliativ-Stiftung weiterhin für ihre Botschaft eintreten: „Leiden lindern ist ohne Töten möglich.“
Wir wollen, dass kein Mensch aus finanziellem oder sonstigem Druck sein Leben beendet. Wir wollen auch sicherstellen, dass jedem Sterbewilligen die Möglichkeiten einer Palliativ-Versorgung erklärt werden und offen stehen. Dafür braucht es ganzheitliche Konzepte, z. B. psychologische Betreuung, Einschätzung und Aufklärung während des Sterbeprozesses, wie sie unter anderem in der Schweiz oder den Niederlanden bei Sterbehilfe angewendet wird.
Wir setzen uns für eine einheitliche und solidarische Bürgerversicherung ein, die den Kostendruck im Gesundheitssektor reduziert. Ebenso für die Rückbesinnung auf das solidarische Selbstkostendeckungsprinzip, denn Patienten und ihre Erkrankungen dürfen nicht als gewinnbringendes Spekulationsobjekt angesehen werden. Zudem möchten wir die Attraktivität des Pflegeberufes fördern, u. a. durch besseren Verdienst, verbesserte Rahmenbedingungen und die damit einhergehende gesellschaftliche Anerkennung, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken.