Viele deutsche Städte platzen mittlerweile aus allen Nähten. Egal ob Berlin, München, Frankfurt oder Stuttgart. Selbst viele Mittelstädte haben mittlerweile ernsthafte Probleme, genügend und vor allem bezahlbaren Wohnraum für ihre wachsende Bevölkerung bereitzustellen. Gleichzeitig wird der ländliche Raum teilweise langsam entvölkert.
Defizite – hoch und breit
Um beiden Herausforderungen gerecht zu werden, gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. So gilt es unter anderem, die Lebensqualität auf dem Land durch eine Verbesserung der Infrastruktur und Arbeitsbedingungen aufzuwerten, während in den Städten kaum Platz zu existieren scheint, um alle notwendigen Maßnahmen unterzubringen. Als Lösungsoption bietet sich hier das Bauen in die Höhe an. Gerade in Zeiten steigender Temperaturen ist eine weitere Flächenversiegelung durch ausgedehnte neue Stadtviertel meist keine Option. Stattdessen sucht man in der Nachverdichtung die Lösung, also der Schließung von Baulücken und Umnutzung von Brach- oder Freiflächen im Stadtinneren.
Viele deutsche Städte taten sich lange schwer in die Höhe zu bauen, sowohl bauliche Auflagen als auch Stigmatisierung durch vergangene Bausünden machten Hochhäuser unpopulär (von einigen Ausnahmen und wenigen Vorzeigeprojekten abgesehen). Doch Wohnen in höheren Geschossen wird zunehmend attraktiver, wie jüngere Entwicklungen in Frankfurt, Berlin oder München zeigen.
Chancen in der Höhe
Beim Hochhausbau (in Deutschland ab einer Höhe von ca. 25m*) finden sich mittlerweile viele Vorteile, so können mehr Stockwerke die Effizienz der Flächennutzung deutlich erhöhen, also mehr Geschossfläche auf weniger Grundfläche bieten. Hochhäuser müssen auch nicht mehr hunderte Meter hoch ausfallen – ohnehin eher schwer vorstellbar in unseren Städten. Aber oft bieten sich bereits 50-100 Meter Höhe als vollkommen ausreichend an und können somit die zwei- bis vierfache Fläche gegenüber den üblichen 25 Meter „Stumpen“ anbieten beziehungsweise am Boden deren Versiegelung verhindern. In vielen kommunalen Fällen reicht auch schon die Entscheidung, drei bis fünf zusätzliche Stockwerke einzuplanen.
Auch die Energieeffizienz von Hochhäusern hat sich gegenüber der Vergangenheit deutlich erhöht. So können Fassadenflächen große Mengen an Solarpanelen aufnehmen, ebenso wie Windenergieanlagen. Außerdem können Hochhäuser mittlerweile teilweise und je nach Bauweise sogar vorwiegend aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz erbaut werden, Beispiele hierzu finden sich bereits in Österreich oder Skandinavien. Mit angemessener architektonischer Gestaltung können Hochhäuser letztlich auch für den Tourismus attraktiv werden. Da derartige Hochpunkte in vielen Städten weithin sichtbar wären, muss besondere städteplanerische und architektonische Sorgfalt gewahrt werden.
Hochhäuser müssen aber nicht ausschließlich für Wohnraum genutzt werden, stattdessen kann entweder eine Mischnutzung oder reine Gewerbenutzung angestrebt werden. Letzteres aber im Idealfall, wenn dadurch Flächen frei werden, welche man dann wieder einem angespannten Wohnungsmarkt zur Verfügung stellen kann.
Hohe Zweifel?
Wie bei allen großen städteplanerischen Projekten können auch viele Fehler gemacht werden. Zu vermeiden sind jene der vergangenen Jahrzehnte: Die Errichtung von Wohnsilos am Stadtrand, welche in kurzer Zeit zu sozialen Brennpunkten wurden und heute mitverantwortlich für das gesellschaftliche Stigma von Wohnhochhäusern sind. Stattdessen müssen zukünftige Projekte angemessen in die Stadt und ihre Gesellschaft eingebunden werden. Ersteres deckt zum Beispiel eine hinreichende infrastrukturelle Anbindung ohne nennenswerten Eingriff in beispielsweise historische Stadtstrukturen ab. Die Gesellschaft sollte Freude an neuen Stadtentwicklungen haben, diese somit einen klaren Mehrwert liefern. Dieser kann von eine Bespielung der Erdgeschosse durch den Handel bis zu Gastronomie mit Aussicht reichen.
Eine Nutzungs- und Bewohnermischung ist hierbei stets zu empfehlen. Kleinteiliges Gewerbe, ein Hotel, ein paar Büros und Wohnungen für alle Bevölkerungs- und Preisklassen sollten sich hier finden lassen. Üblicherweise sind Hochhäuser in Errichtung und Unterhalt teurer als die gleiche Wohnfläche auf mehrere Gebäude verteilt. Damit Wohnhochhäuser keine reinen Luxusbauwerke werden, muss die Bewohnermischung derart ausgelegt sein, dass die hochpreisigen Wohnungen die sozialen Wohneinheiten miettechnisch kompensieren.
Greifbare Höhen
Um Städte nachhaltig und effizient weiterzuentwickeln, bedarf es in erster Linie mehr Mut der kommunalen politischen Entscheider und viel Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung, um mögliche Ressentiments gegenüber Hochhäusern abzubauen. Auf Bundesebene muss vor allem der regulative Rahmen überdacht werden. Dazu gehört eine Neubeurteilung des Baustoffes Holz, damit dieser (nicht nur bei Hochhäusern) flächendeckender Anklang findet und somit einen Teil zum besseren Stadtklima beiträgt. Aber auch eine generelle Überarbeitung der Bauvorschriften ist notwendig, so dass beispielsweise die Landesbauordnungen in eine Bundesbauordnung überführt werden, was gerade auf der Planungsseite Kosten spart. Inhaltlich sollten Bauordnungen auch weniger bauteilspezifisch, sondern zielgrößenfokussiert definiert werden, um nicht unnötig bautechnische Innovationen abzuwürgen. Jeder städtischen Kommune, welche unter wachsendem Wohnungs- und Flächendruck steht, ist die Entwicklung eines Hochhausentwicklungsplans zu empfehlen. Dieser kann zum einen Entwicklungspotentiale für Hochbauten identifizieren und gleichzeitig die städtebaulichen und gesellschaftlichen Anforderungen an zukünftige Projekte definieren.
Von unten nach oben
In Zeiten von wachsender städtischer Bevölkerung und immer höher werdenden bautechnischen und ökologischen Anforderungen bieten gerade Hochhäuser eine langfristige Lösungsoption. Diese muss aber sowohl städteplanerisch als auch gesellschaftlich angemessen evaluiert und entwickelt werden. Die Zukunft unserer Städte findet sich in nachhaltigen Bauwerken mit Vertikalität und nicht in weiterer uninspirierter Flächenversiegelung.