Dies zeigt sich gerade in Flensburg, wo die beiden christlichen Krankenhausbetreiber Diako und Malteser zu einem neuen Zentralkrankenhaus fusionieren. Diese, als großer Fortschritt angepriesene, erste ökumenische Klinik in Deutschland, ist in Wahrheit ein Rückfall ins Mittelalter. Denn die katholischen Malteser haben sich bei der Frage des Schwangerschaftsabbruchs mit ihren vorgestrigen Moralvorstellungen durchgesetzt: Abtreibungen, die bisher das evangelische Klinikum übernommen hatte, wird es in Zukunft nur noch bei Gefahr für das Leben der Mutter geben.
Nicht genug also damit, dass abtreibungswillige Frauen eine Zwangsberatung über sich ergehen lassen müssen, dass der Abbruch durch eine dreitägige „Bedenkzeit“ hinausgeschoben wird (womit unterstellt wird, dass sie vorher nicht gründlich genug nachgedacht hätten), dass Frauenärzte nicht über Abtreibungsmethoden informieren dürfen (§ 219a) und dass Schwangerschaftsabbruch nicht mehr auf den Lehrplänen für Medizinstudenten steht – jetzt kommt auch noch eine langwierige und belastende Suche nach einer Klinik und eine längere Anfahrt hinzu.
Zudem hat sich in Flensburg die Anzahl der niedergelassenen Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, seit 2012 von neun auf vier Praxen reduziert, was die Wartezeit wiederum verlängert. Die Versorgung von Frauen in dieser belastenden Situation ist von daher bedroht.
Die Geschäftsführer von pro familia Schleswig-Holstein erklären:
„Mit dem Wegfall dieses stationären Angebotes werden betroffene Frauen zukünftig weite Strecken und zusätzliche Kosten auf sich nehmen, wenn sie den Schwangerschaftsabbruch in einer Klinik vornehmen lassen. Dies verschlechtert die Situation für alle betroffenen Frauen und stellt insbesondere Mütter mit kleinen Kindern, aber auch sozial schwache Frauen vor große Probleme.“ Doris Scharrel, Vorsitzende des Berufsverbands der Frauenärzte Schleswig-Holstein, nennt die Entscheidung der Kirchen „eine „Katastrophe“.
Das Flensburger Frauenforum hat eine Unterschriften-Aktion gestartet.
In Flensburg zeigen sich die problematischen Strukturen der freien Wohlfahrtspflege in Deutschland. Die beiden kirchlichen Organisationen (Malteser und Diakonie) haben sich zu Großkonzernen entwickelt, die ihren Mitarbeitern nicht nur grundsätzliche Arbeitnehmerrechte vorenthalten, sondern auch direkt in das Selbstbestimmungsrecht von Patientinnen eingreifen. Und das, obwohl die Klinik mit mehreren 100 Millionen Euro Fördergeldern fast ausschließlich vom Land finanziert wird und einen allgemeinen Versorgungsauftrag hat.
Die medizinische Grundversorgung muss unabhängig von religiösen Moralvorstellungen gewährleistet sein. Das Recht auf Selbstbestimmung und Familienplanung ist ein Menschenrecht, das Deutschland allen Bürgern garantiert. Die Länder sind gesetzlich verpflichtet, ein ausreichendes Angebot ambulanter sowie stationärer Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen zu sichern.
Der Geschäftsführer des katholischen St. Franziskus-Hospitals erklärt aber seine veralteten Moralvorstellungen als „nicht verhandelbar“.