Eric S.
Meine Großmutter besuchte mit meinem Onkel Anfang November unsere Verwandtschaft in Berlin. Am Donnerstagmorgen des 09. November 1989 brach sie wieder Richtung Plauen auf. Vom Mauerfall ahnten sie zu diesem Zeitpunkt noch nichts. Kaum Zuhause angekommen, erfuhren sie von dem Geschehen. Mein Onkel brach unverzüglich wieder Richtung Berlin auf.
Ich stehe für eine humanistische Politik, da die Bürger nicht aus dem Weltgeschehen ausgeschlossen werden dürfen. Wir stehen für das gesellschaftliche Mitgestaltungsrecht jedes Individuums
Christiane Z.
Ich könnte hundert Anekdoten liefern. Hier eine meiner Lieblingsbegebenheit: Zum Zeitpunkt des Mauerfalls war ich 23 Jahre, frisch verheiratet und im achten Monat schwanger. Mich und meinen Ehemann hatte es in ein kleines Nest in der Magdeburger Börde verschlagen, wo ich in einer heruntergekommenen Wohnung ohne jeden Komfort wohnte. Alle Freunde, Verwandten wohnten weit weg und wir waren dort ein bisschen einsam. Ein Telefon hatte ich natürlich nicht, genauso wie die meisten DDR-Bürger. Ich musste dort wohnen, das war meine Pflicht. Denn zur Garantie auf einen Arbeitsplatz, den die DDR gab, gehörte auch die Pflicht für jeden Berufsanfänger nach dem Studium, dorthin zu gehen, wo die Republik dich brauchte. Jedenfalls hatte ich von August bis zum 7. November meine erste Arbeitsstelle dort. Am 8. November begann mein Mutterschutz. Die ersten zwei Tage meines Mutterschutzes nutzte ich, um mit dem Bus in die Kreisstadt zu fahren und nach Küchenmöbeln zu suchen, denn die hatte ich bisher noch nicht gefunden. In meiner Küche standen nur Kellerregale und ein Kühlschrank. Abends war ich so kaputt, dass ich früh schlafen ging. Der Fernseher ging bei uns an diesen Tagen nicht an.
Am 10. November besuchte ich Bekannte dort im Ort zum Kaffeetrinken. Ich hatte wie gesagt noch nichts von allem mitbekommen. Nach kurzer Zeit kam das Gespräch von Vorbereitungen für mein Baby und allgemeinen Geplänkel aber eine ganz andere Richtung. Meine Bekannten erzählten mir ganz freimütig, dass sie am Wochenende “rübermachen” wollten. Sie hätten schon gepackt und ihren Sohn würden sie erst mal hier bei der Oma lassen. Ich glaubte mich verhört zu haben. Ich war völlig entsetzt. So was konnte man doch nicht einfach so erzählen. Wir kannten uns doch kaum. Ich wäre eigentlich verpflichtet, so etwas anzuzeigen. Mir war richtig schlecht vor Anspannung. Recht bald verabschiedete ich mich und ging nach Hause, fest überzeugt, niemandem etwas von der geplanten Republikflucht zu erzählen. Abends vor dem Fernseher klärte sich dann alles auf.
Resümee aus meiner Anekdote: Man kann die persönliche Freiheit und die Freiheit der Gesellschaft nicht hoch genug einschätzen: Sein Leben und seine Zukunft frei gestalten zu können ist ein hohes Gut und darf nicht unnötig eingeschränkt werden.
Sandra P.
Also ich habe, wie die meisten Menschen außerhalb von Berlin wohl den Mauerfall verschlafen. Die meisten meiner Mitschüler wohl auch, denn sie erschienen am nächsten Tag ganz normal zu Schule. Wo ich dann darüber aufgeklärt wurde, dass die Mauer gefallen war. Der erste Besuch in Berlin Zehlendorf war dann im Dezember oder Januar, meine Schwester und ich bekamen jeweils eine Plastikelefantenspardose von der Dresdener Bank geschenkt. Wir waren danach auch noch einmal in Ülzen.
Ansonsten war tatsächlich in den Westen zu reisen die kleinste Aufregung damals. Ich saß bspw. am 4. November den ganzen Tag vor dem Fernseher, um die erste freie Großdemonstration in Berlin zu sehen, hinzufahren haben mir meine Eltern nicht erlaubt. Davor gab es tatsächlich auch in unserem kleinen Nest Demonstrationen, bei der sich die Menschen vor der örtlichen Stasizentrale trafen und mit den Schlüsseln klapperten. Eine wohlüberlegte Geste, für Schlüsselklappern konnte man nun tatsächlich nicht festgenommen werden.
Danach blieb es im Osten sehr spannend, der Schulunterricht änderte sich sehr schnell, innerhalb kurzer Zeit wurde entscheiden, dass ich nun zum neu gebildeten Gymnasium darf, meine Eltern wurden kurzzeitig arbeitslos, Versicherungsvertreter und Gebrauchtwagenverkäufer versuchten eine schnelle Mark zu machen. Und keiner wusste, wie viel Erspartes man in einem halben Jahr noch hatte, weil ja die Umtauschkurse lange Zeit nicht feststanden. Das war eine sehr ungewisse, für mich aber auch spannende Zeit.
Besonders beeindruckt hatte mich, wie man auf einmal seine Meinung äußern konnte (Großdemo 4. Nov. – bzw. die Demos davor). Allerdings sehe ich da dann auch sehr deutlich den Unterschied über das heutige Gejammere zu „man kann ja nicht mehr frei seine Meinung äußern“. Es macht schon einen eklatanten Unterschied, ob man heute von der Polizei begleitet wird, um das Recht auf freie Demos durchzusetzen oder ob man von der begleitenden Polizei mal schnell festgenommen wurde, weil man auch nur ansatzweise etwas Falsches auf der Demo gesagt hatte und zufälligerweise ein Stasispitzel daneben stand, deswegen das Klappern mit dem Schlüssel.
Anonym
Die DDR war ein Überwachungsstaat, der seine freidenkenden Bürger mittels des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) vollständig überwacht hat. Dabei wurden Freunde und Bekannte einer Person zu deren Überwachung als informelle Mitarbeiter (IMs) eingesetzt. Diese Atmosphäre des Überwachtseins hat in meiner Familie zu krassen psychischen Belastungen geführt, die bis heute spürbar sind. Deshalb bin ich froh, dass die DDR seit 30 Jahren Geschichte ist und wir heute in einem freiheitlich-demokratischen Staat leben.
Die Humanisten sehen den Menschen als eigenverantwortlichen Gestalter seines Lebens. Weil das Thema der staatlichen Überwachung aber leider aktuell bleibt, müssen wir diese Freiheit und Selbstbestimmung weiterhin und immer wieder gegenüber unnötigen Gesetzesvorhaben zur Überwachung der Bürger (z. B. Vorratsdatenspeicherung) verteidigen.