Die Europäische Union, wie wir sie heute kennen, hat eine bewegte Geschichte: Hervorgegangen ist sie ursprünglich aus der sogenannten Montanunion (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl), einem Wirtschaftsbund, gegründet durch Deutschland, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Italien & den Niederlanden 1951. Von diesem Bund sollten die beteiligten Nationen profitieren. 1957 riefen die sechs Gründungsstaaten die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft sowie die Europäische Atomgemeinschaft, mit dem Ziel einen gemeinsamen Wirtschaftsraum zu schaffen und die friedliche Erforschung und Nutzung der Kernenergie zu gewährleisten, ins Leben. Diese drei Gemeinschaften wurden 1967 dann zur Europäischen Gemeinschaft zusammengelegt. Die EU, wie wir sie heute kennen, besteht erst seit 2009. Über die Jahrzehnte hat sich die Gemeinschaft stetig erweitert, indem immer mehr Nationen der EU beigetreten sind. Heute sind es insgesamt 28 Mitgliedstaaten.
Warum eigentlich ein europäischer Staatenbund? Die EU ist vor allem auch eine Wertegemeinschaft, das bedeutet, sie soll Wohlstand und Frieden in Europa sichern. Allen Nationen war vor dem Hintergrund des 2. Weltkrieges klar, dass Europa einen nächsten Krieg dieser Größenordnung nicht überstehen würde. Deshalb wurden gemeinsame Werte festgelegt:
- Achtung der Menschenwürde
- Freiheit
- Demokratie
- Gleichheit
- Rechtsstaatlichkeit
- Wahrung der Menschenrechte
In Artikel 3 des Lissabonner Vertrages heißt es: “Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu sichern”. Daraus geht hervor, dass die EU nicht nur ein rein eigennütziger Wirtschaftsbund ist, sondern dass das Leben aller ihrer Bürger stetig verbessert werden soll.
Trotzdem hat sich die britische Bevölkerung innerhalb eines Referendums am 23. Juni 2016 für einen Austritt aus der EU entschieden. Wobei das Wahlergebnis denkbar knapp ausfiel: 52% der Briten stimmten für den Brexit. Warum eigentlich? Großbritannien hat seit seinem Beitritt in erster Linie die Vorteile einer internationalen Wirtschaftsunion für das eigene Land gesehen. In den meisten anderen Bereichen der Politik, z.B. der Innenpolitik der EU, hat sich Großbritannien eher zurückhaltend gezeigt und stattdessen sehr viel stärker auf die Außenpolitik mit den USA, dem sogenannten anglo-amerikanischen Bündnis, Wert gelegt. So hatte Großbritannien stets die Option, sich an Gesetzesakten der EU zu beteiligen oder nicht zu beteiligen, den “Options-In” oder “Options-Out”. Großbritannien ist stolz auf seine Unabhängigkeit und schätzt keine Einmischung in innenpolitische Angelegenheiten. Zudem sehen sich viele britische Bürger von der EU und ihren Regularien übervorteilt. Auch die Migrationswelle und der Umgang der EU mit dieser sahen viele Briten kritisch. Das machte es der populistischen UKIP Partei unter Nigel Farage mit ihrer ablehnenden Haltung zu Europa leicht, die größtenteils unzufriedene britische Bevölkerung zu einer Abstimmung über den Austritt zu bewegen.
Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU ergeben sich viele Unsicherheiten und einige nicht absehbare Folgen für alle Beteiligten. Offensichtlich ist, dass sich die Verhandlungen – die sich nun schon fast drei Jahre hinziehen – äußerst schwierig gestalten. Mit Boris Johnson, dem neuen Regierungschef Großbritanniens, ist ein bekennender Europaskeptiker an der Spitze der britischen Regierung und sorgt mit seinen Forderungen zum Brexit auch im britischen Parlament regelmäßig für Unruhe. Der starke Einfluss des Brexit auf die britische Wirtschaft zeigt sich schon jetzt, denn viele international tätige Unternehmen erwägen, ihre Niederlassungen zu schließen. Es käme zum Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen. Und die Lage wird sich voraussichtlich verschärfen; Wirtschaftsverbände im Vereinigten Königreich machen Druck auf die Regierung. Anscheinend hält die Johnson-Regierung eine Einschätzung zu den wirtschaftlichen Folgen für Großbritannien, die unter der May-Regierung in Auftrag gegeben wurde, zurück. Theresa May versuchte einen Deal auszuhandeln, in dem die britischen Regularien hinsichtlich der Wirtschaft denen der EU gleichen, um somit einen größtenteils freien Warenhandel zu gewährleisten. Unter Johnson sehen die britischen Wirtschaftsverbände einen deutlichen Rückschritt und fürchten um die britische Wirtschaftslage nach dem Austritt. Denn Vorteile wie der freie Handel innerhalb der EU wird Großbritannien dann nicht mehr genießen dürfen. Zuletzt verzichten die Briten auch auf die Mitgestaltung innerhalb der EU, was es schwierig macht, eigene Interessen innerhalb Europas geltend zu machen. Die Entscheidung der Briten für den Brexit veranlasst Schottland hingegen, 2020 wieder ein Referendum über die Unabhängigkeit von England und damit für einen Verbleib in der EU abzuhalten. Großbritannien drohen also durch den Brexit auch innenpolitische Spannungen.
Durch den Brexit könnten sich andere europakritische Regierungen bestätigt sehen und womöglich selbst einen Austritt in Erwägung ziehen, wie z.B. Italien oder Ungarn. Die Integrität der EU wird damit angezweifelt. Eine weitere Zersplitterung der EU würde noch mehr Unruhe, Unsicherheit und Unzufriedenheit bei den Bürgern in allen Mitgliedstaaten bedeuten. Ein solches Europa kann und darf nicht unser Ziel sein.
Wir sehen Europa im Sinne seiner Werte als eine Chance, dauerhaft Wohlstand und Frieden innerhalb Europas zu gewährleisten. Nur ein geeintes Europa kann dies dauerhaft bewerkstelligen. Nicht umsonst wurde die EU 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet: “für mehr als sechs Jahrzehnte zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa”. Auch für technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt spielt die EU eine wichtige Rolle und ist somit auch in Zukunft unerlässlich. Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir haben die Vision einer Bundesrepublik Europa. Einer Abkehr von eingewachsenen, statischen Strukturen der Nationalstaaten, hin zu einem Europa mit weniger Bürokratie und mehr Dynamik, das den Möglichkeiten unserer Zukunft auch gerecht werden kann. Einem geeinten europäischen Staat, so wie es die Grundidee der EU einmal war.